Sichuanpfeffer, Szechuanpfeffer, Szetschuanpfeffer, Blütenpfeffer, oder Anispfeffer (Zanthoxylum piperitum etc.; engl. Sichuan pepper, anise pepper, Chinese pepper, prickly ash; franz. poivre du Sichuan, baies de Szechuan; chin. 花椒 huā jiāo («Blütenpfeffer») und viele andere Bezeichnungen mit jiāo, «Pfeffer») gehören zur Familie der Rutaceae (Rautengewächse). Als Sichuanpfeffer bezeichnet man eine Gruppe von Gewürzen, die von verschiedenen Arten der Gattung Zanthoxylum stammen. Diese sogenannten «Gelbhölzer» sind vor allem von Zentral- bis Ostasien verbreitet, man findet aber auch Arten in Afrika und Amerika. In Asien bildet das Himalaya-Gebiet eine Art Zentrum des Sichuanpfeffers. Die meisten Autoren sind sich einig, dass der kulinarische Wert des Gewürzes im ersten Jahrtausend vor Christus in der chinesischen Provinz Sichuan entdeckt wurde. Zuvor soll Zanthoxylum vor allem als Räucherwerk und Parfum beliebt gewesen sein. Es gibt sehr viele verschiedene Arten von Sichuanpfeffer, wobei einige nur lokale Bedeutung haben. Vom Aroma her sind die Arten bis zu einem gewissen Grad austauschbar. Das vor allem in Korea verbreitete Zanthoxylum schinifolium allerdings hat einen stärkeren Anisgeruch als andere Sorten. Und das auf Santa Lemusa heimische Zanthoxylum erubescens fällt durch eine dunkel kräuterartige Note auf. Es ist kaum möglich, sich einen Überblick über die diversen Sorten und ihre jeweilige Bedeutung zu verschaffen.
Wichtige Arten Arten von Zanthoxylum sind (nebst den erwähnten) auf jeden Fall auch:
Zanthoxylum-Sträucher können bis zu 10 m hoch wachsen. Ihre Blätter sind eschenartig gefiedert, was ihnen im Englischen den Namen prickly ash («dornige Esche») eingetragen hat. Auf den Zweigen tragen die Sträucher teilweise sehr lange und feste Stacheln. Die Blüten sind gelb und erscheinen in Dolden oder Scheintrauben. Aus ihnen entwickeln sich rötlich bis bräunlich gefärbte Kapselfrüchte von der Grösse einer Gartenerbse. Bei Reife brechen diese Früchte auf und es erscheinen 1 bis 4 glänzend schwarze Samen.
Aroma und Schärfe des Gewürzes sitzen indes nicht in diesen Samen, sondern in den bräunlichen Schalen (Fruchtwänden). Die Samen haben eine staubige Konsistenz und knirschen zwischen den Zähnen (wie Kohlestückchen). Jill Norman («Das grosse Buch der Gewürze», S. 236) warnt ausserdem vor ihrer Bitterkeit, was wir nicht wirklich haben nachvollziehen können. So wie so werden die Samen nach Möglichkeit weggelassen.
Laut Gernot Katzer Gernot Katzer («Picantissimo», S. 262) stammt Sichuanpfeffer «auch heute noch teilweise aus Wildsammlung. Die Ernte erfolgt manuell, was zu extrem unterschiedlichen Handelsqualitäten führt: Bisweilen findet man Abfüllungen mit hohem Besatz an fremden Pflanzenteilen, Zweigen und Dornen, die vor Verwendung entfernt werden müssen.» Auch der Sichuanpfeffer aus Santa Lemusa wird wild gesammelt und enthält deshalb gelegentlich noch Reste der Stengel und manchmal sogar kleine Dornen (mehr über Sichuanpfeffer aus Santa Lemusa).
Die meisten Sichuanpfeffer haben einen spritzig-zitronigen Geruch mit einer leicht ätherischen Note, in der man etwas von Kardamom und auch etwas Holziges oder gar Muffiges finden kann. Der Sichuanpfeffer aus Santa Lemusa, auch Rougeurs de St-Brice genannt, fällt durch seine leicht erdige, dunkel kräuterartige bis blumige Note auf. Sichuanpfeffer ist nicht sehr scharf und wirkt im Mund zunächst nur leicht brennend, angenehm wie ein frisch gemahlener Pfeffer. Mit der Zeit entwickelt sich aber ein leicht prickelndes Gefühl der Taubheit, das mehrere Minuten anhalten kann. Mit Sichuanpfeffer lassen sich die Speisen nicht wirklich schärfen – er ist ein «Schärfeversprechen, das nicht eingelöst wird» (Deon Godet, «Die Sprache der Gewürze», S. 131).
Das Prickelnd-Betäubende des Sichuanpfeffers geht laut Frank Holl («Gewürze», S. 305) «auf ungesättigte Säureamide zurück, die als Sanshoole bezeichnet werden und in keinem anderen Gewürz vorkommen; lediglich die Parakresse enthält ähnliche Inhaltsstoffe und schmeckt daher vergleichbar prickelnd-scharf.» Auch beim Tasmanischen Pfeffer kann man einen ähnlichen Effekt beobachten.
Glaubt man Deon Godet, so hat Sichuanpfeffer nicht ein Aroma, sondern viele. Er weist auch darauf hin, dass das Aroma dieses Pfeffers, so kräftig es manchmal wirkt, doch sehr flüchtig auch ist. Eben noch war es da – im nächsten Moment ist plötzlich ganz verschwunden. Godet spricht von einem «neurotischen Gewürz», das sich durch die Gesellschaft anderer Gewürze oder auch bestimmter Zutaten schnell bedrängt oder beleidigt fühlt und dann «den Aroma-Dienst verweigert».
Sichuanpfeffer wird oft trocken geröstet und zu einem Pulver vermahlen, das dann zuletzt über die gekochten Speisen gestreut wird.
Sichuanpfeffer ist vor allem in den Küchen Chinas weit verbreitet als Ingredienz vieler Marinaden oder als Bestandteil des Fünf-Gewürze-Pulvers. Shiu-ying («Food Plants of China», S. 503-505) zählt fünf verschiedene Sorten auf, die in China verwendet werden – tatsächlich dürften es wohl noch mehr sein. Ganz besonders beliebt ist er in den Provinzen Sichuan und Yunnan, wo er oft zusammen mit Chilis höllisch scharfe Gerichte würzt (siehe auch den Abschnitt zu málà). In Japan wird aus einer Zanthoxylum-Art das Gewürz Sansho gewonnen. Und Sichuanpfeffer ist auch ein Bestandteil der Tischwürze Shichimi.
Die koreanische Küche nutzt zwei Sorten von Sichuanpfeffer. Nebst einer Art Sansho auch das eingangs bereits erwähnte Zanthoxylum schinifolium, das in Korea Sancho genannt wird und im Unterschied zu Sansho einen mild-aromatischen, anisartigen Geschmack hat. Im westlichen Indien (Goa etc.) würzt man mit dem lokalen Sichuanpfeffer (Zanthoxylum rhetsa) vor allem Fisch. Sichuanpfeffer gehört zu den wenigen Gewürzen, welche auch die Küchen im Himalaya kennen (Nepal, Tibet, Bhutan) und vor allem für Brühen und Pickles verwenden. In Europa war Sichuanpfeffer noch vor wenigen Jahren kaum bekannt, ja in in älteren Gewürzbüchern wird er nicht oder (etwa bei Tom Stobart) nur ganz kurz erwähnt. Heute spielt er auch im Westen eine zunehmende Rolle. Mehr zur Kulinarik bei Gernot Katzer («Picantissimo», S. 264).
Auf Santa Lemusa wird Rougeurs de St-Brice, wie der lokale Sichuanpfeffer heisst, sehr vielfältig eingesetzt, vor allem für in viel Flüssigkeit geschmorte Fleischgerichte wie dem Boeuf St-Brice. Sichuanpfeffer ist auch Teil einer typisch lemusischen Tischwürze, die als Sel de St-Brice bezeichnet wird und aus Sichuanpfeffer, Schwarzem Pfeffer und Salz besteht, die trocken geröstet und dann zu einem nicht allzu feinen Pulver vermahlen werden (mehr über Sichuanpfeffer aus Santa Lemusa).
Die Küche Chinas wird von vier Geschmacksnoten bestimmt, die in möglichst harmonischer Mischung vorkommen sollen: salzig, süss, sauer und scharf. Frank Holl (S. 305): «In Sichuan unterscheidet man jedoch einen fünften Geschmack má (麻), der genau der prickelnden Schärfe von Sichuanpfeffer entspricht und von der gewöhnlichen Schärfe der Chilis (là) streng getrennt wird. In der Sichuanküche bemüht man sich also um eine harmonische Balance von fünf Geschmackstypen, wobei má und là in vielen Speisen dominieren. Speisen, die sowohl mit Chili als auch mit Sichuanpfeffer geschärft sind, tragen oft die Bezeichnung málà im Namen, z.B. málà jī dīng, scharfes, klein geschnittenes Hühnerfleisch, das mit wenig Sosse im Wok gebraten wird.» Das má kommt auch in einem anderen Klassiker der Sichuan-Küche vor, dem mápó doùfŭ (einem scharfen Tofu-Gericht mit Hackfleisch – ein Rezept dazu findet sich hier).
Dieser Pfeffer wächst hauptsächlich an der Ostflanke des Mont Kara, vor allem in den höheren Lagen der Forêt des jeyans. Die Beeren haben ein leicht erdiges, dunkel kräuterartiges bis blumiges Bouquet und provozieren ein leicht prickelndes Gefühl von Taubheit im Mund. «Rougeurs de St-Brice» wird von HOIO exklusiv nach Europa importiert.
First Publication: 28-2-2012
Modifications: 10-4-2012, 28-5-2012