Geschichte. Schwarzwurzel ist seit der Antike bekannt – wahrscheinlich auch als Gemüse. Dioskurides («De materia medica») nennt zahllose medizinische Eigenschaften von Symphyton officinale, wie die Wurzel bei ihm heisst, schreibt aber auch: «Fleisch, mit dem sie [die Schwarzwurzeln] zusammen gekocht werden, binden sie zu Gallerte.» Auch Apicius («De re coquinaria», Buch 1, 64) gibt ein Rezept wieder, jedenfalls in der Übersetzung von Eduard Danneil: «Varronische Beten (Schwarzwurzeln). Varro: Beten, aber schwarze, deren Wurzeln gereinigt sind, koche mit eingekochtem Met, mässig Salz und Öl oder auch in Wasser, Salz und Öl, in welchen die Stücken getan werden und sich voll saugen; besser ist es noch, wenn Hühner mit verkocht werden.» Wie verbreitet die Schwarzwurzel als Gemüse in der Antika war, ist indes schwer zu sagen.
Dem Mittelalter war die Scorznonera wohl nur als Heilmittel vertraut. Namen wie «Schlangen-Mord» oder «Schlangengras» und «Vipernwurz» verdanken sich dem Glauben, Schlangenbisse oder andere Vergiftungen (ja sogar Pest) liessen sich mit Hilfe von Schwarzwurzel kurieren. Der vor allem in der älteren Literatur ebenfalls verbreitete Name «Skorzoner Wurzel» indes geht auf den wissenschaftlichen Namen Scorzonera zurück, der sich aus den italienischen Worten scorza (=«Rinde») und nera (=«schwarz») zusammensetzt – wobei scorzone offenbar auch eine schwarze, giftige Schlange bezeichnet. Als Mittel gegen Gift kommt die Schwarzwurzel auch in der pseudo-homerischen Dichtung «Froschmeuseler» (1595) von Georg Rollenhagen (1542–1609) vor, wo Odysseus auf dem Weg zur intriganten Kirke damit ausgestattet wird: «Aber ein geist kam unterwegen | Dem Ulysses zeitig entgegen, | Gab ihm wider des giftes kraft | Ein schwarze wurzel voller saft, | Wie milch so war ihr weisse blum, | Het bei den göttern grossen rum, | Als die giftwurz in unserm land, | Spanisch Scorzonera genant, | Die solt er bei sich alzeit tragen.»
Meist heisst es, die früheste Beschreibung der Schwarzwurzel als Gemüse finde sich im «Kreuterbuch» von Pietro Andrea Matthioli aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Er schreibt im Vierten Buch (unter dem Kapitelnamen «Walwurz»): «Man nennet diss Kraut auch Schwarzwurz und Schmertzwurz vieweil die Wurzel ausswendig kolschwartz inwendig aber weiss kläberig und schlipferig ist wie Schmalz.»
Alle Handbücher zum Thema lassen die eigentliche Karriere der Schwarzwurzel als Gemüse erst im 17. Jahrhundert beginnen, wo aus ihrer spanischen Wildform (Scorzonera hispanica) ein Gartengemüse gezüchtet wurde – vielleicht in Spanien selbst, vielleicht aber auch in Frankreich oder Italien. Als früheste Beschreibung einer kulinarischen Rezeptur mit Schwarzwurzel wird meist das «Theatrum botanicum» (S. 962) von Theodor Zwinger aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts genannt, wo es über den «Schlangen-Mord» heisst: Die Schwarzwurzeln «werden in den Küchen mit Salze, Butter und Gewürtze, in dem Herbst-Wein und Wintermonat, zu einer angenehmen und gesunden Speise gekocht, als welche trefflich gute Nahrung dem Geblüte und Leibe dienet.» Marianna Serena et al. wissen («Lexikon der alten Gemüsesorten», Kapitel Schwarzwurzel), dass Ludwig XIV das Gemüse ganz besonders schätzte: «Er liess die ‹scorsonère› in grossen Mengen anbauen, da er überzeugt war, dass er damit seinen durch zu üppige Tafelfreuden verdorbenen Magen wieder ins Lot bringen könne.»
Sehr ausführlich wird die Geschichte der Schwarzwurzel vor allem bei Udelgard Körber-Grohne «Nutzpflanzen in Deutschland», S. 245ff. beschrieben. Es scheint insgesamt, als sei die Schwarzwurzel seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in ganz Europa als Küchenpflanze ziemlich populär gewesen und habe auch schnell die bis dahin gebräuchlichere Haferwurzel verdrängt. Laut Robert Habs und Leopold Rosner («Appetit-Lexikon», S. 482) allerdings war die spanische Scorzonere nicht überall gleichermassen populär: «Aus Spanien kam sie als Küchenpflanze etwa um 1651 nach Frankreich und aus Flandern kurz vor 1682 nach Österreich. Weder hier noch in Deutschland hat sie sich indessen dauernd einzubürgern vermocht.»
Noch mehr in Vergessenheit geriet die «Spargel des armen Mannes» in den reicheren Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg. Allenfalls stand sie da und dort noch als Dosenware im Regal. Erst mit der Rückbesinnung auf alte Gemüsesorten Ende des 20. Jahrhunderts hat auch die Schwarzwurzel ihren Weg zurück in die Küchen gefunden. Vor allem in den deutschsprachigen Ländern und in Frankreich findet man sie heute wieder den ganzen Winter lang auf Märkten und in Biogeschäften. Sie passt ja auch gut zu den Protestanten, denen bekanntlich nicht richtig schmeckt, was leicht zu haben ist.
Pflanze. Die Schwarzwurzel (Scorzonera hispanica; engl. black salsify, Spanish salsify, black oyster plant, serpent root; franz. scorsonère d'Espagne; span. escorzonera; ital. scorzonera di Spagna) ist eine mehrjährige, winterharte Pflanze aus der Familie der Asteraceae (Korbblütler). Im ersten Jahr bildet sie eine bis über 30 cm lange und bis 5 cm dicke Pfahlwurzel sowie eine Blattrosette aus. Diese Wurzel kann man ab dem Herbst für die Küche ernten. Im zweiten Jahr erscheint über langen, lanzettförmigen Blättern eine gelbe Blüte. Marianna Serena et al. («Lexikon der alten Gemüsesorten», Kapitel Schwarzwurzel) wissen: «Bei früher Saat im März sowie kühlen Temperaturen im Juni/Juli können Schwarzwurzeln zum Teil auch schon im ersten Jahr blühen. [...] Die Wurzel wird nicht wertlos im zweiten Jahr, mehrjährige Wurzeln verholzen allerdings.»
Sorten. Es gibt verschiedene wilde Schwarzwurzeln sowie diverse Sorten der Gartenschwarzwurzel (Scorzonera hispanica). Sie unterscheiden sich in Form, Länge und Dicke ihrer Wurzeln – aber auch in Bitterkeit und Geschmack. Im «Lexikon der alten Gemüsesorten» heisst es, die Schwarzwurzel sei züchterisch lange Zeit vernachlässigt worden (und es werden auch nur zwei Sorten vorgestellt: «Einjährige Riesen» und «Hoffmanns Schwarze Pfahl»). Die Schwarzwurzeln, die man in der Schweiz bekommt, sind in der Regel leicht bitter. Alan Davidson («Oxford Companion to Food», Kapitel Salsify, scolymus and scorzonera) kennt indes offenbar auch süsse Sorten «the roots of modern varieties can be eaten raw […] they are not bitter, but on the contrary slightly sweet.» Und Alphonse de Candolle («Origin of Cultivated Plants», S. 45) berichtet sogar von einer Schwarzwurzel, die Ende des 19. Jahrhunderts in Süditalien für Süssspeisen verwendet wurde: «There exists in Sicily a Scorzonera deliciosa, Gussone, whose very sugary root is used in the confection of bonbons and sherbets, at Palermo. How is it that its cultivation has not been tried? It is true that I tasted at Naples Scorzonera ices, and found them detestable, but they were perhaps made of the common species (Scorzonera hispanica).»
Das Vorbereiten von Schwarzwurzeln ist etwas mühselig, denn in der Rindenschicht liegen zahlreich Milchsaftröhren, die bei Verletzung einen zähflüssigen, latexartigen Saft ausscheiden. Dieser färbt nicht nur die Hände schwarz, er hinterlässt auch auf allen Utensilien klebrige Rückstände – ein wenig wie gewisse Klebe-Etiketten. Es empfiehlt sich deshalb, beim Rüsten Wegwerf-Handschuhe zu tragen – auf den Messergriffen und Töpfen allerdings setzt sich der klebrige Gummi dennoch fest. Je nach weiterer Verwendung kann man die Wurzeln auch nur gut abspülen und dann etwa zwanzig Minuten in Wasser weich kochen (oder auch im Dampf garen). In diesem Fall setzt sich der Kleber nur am Pfannenrand fest, etwa auf Höhe der Wasserkante. Die verklebten Stellen auf Geschirr und Werkzeug sind auch mit kräftigen Bürsten oder Stahlwolle nur schwer zu entfernen. Wir haben jedoch herausgefunden, dass sich die Rückstände ganz leicht mit Wundbenzin reinigen lassen – ganz gleich wie die Spuren von Etiketten.
Die geschälten Wurzeln müssen sofort mit Zitrone eingerieben oder in Essigwasser eingelegt werden, da der Milchsaft schnell oxidiert und die Wurzeln schwärzlich verfärbt.
Roh sind die Schwarzwurzeln sehr knackig und kaum bitter, mit einem frischen und angenehmen Nuss-Aroma. Einzelne Autoren wie Alan Davidson («Oxford Companion to Food», Kapitel Salsify, scolymus and scorzonera) schreiben zwar, man könne die Schwarzwurzeln auch roh essen – die meisten Bücher aber empfehlen, sie vor dem Verzehr zu garen. Schwarzwurzeln können kalt als Salat oder warm mit etwas Butter, als Gratin oder mit Sauce zubereitet werden. Auch die jungen Blätter der Schwarzwurzel können als Salatzugabe gegessen werden. Henri Leclerc («Les Légumes de France», S. 196) meint sogar: «Enfin les feuilles du salsifis, comme celles de la scorsonère, meritent d'être classées parmi les salades les plus tendres et les plus fines et l'on ne saurait trop blamer les cuisinières qui ont l'habitude sacrilège de les considérer comme des détritus dont la bienséance exige qu'on se debarrasse en les faisant glisser du tablier de cotonnade bleue dans la boite aux ordures. Die getrocknete Wurzel kann laut Brigitte Bartha-Pichler («Haferwurzel & Feuerbohne» , S. 142) auch als Kaffee-Ersatz verwendet werden.
First Publication: 14-2-2015
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