Der Wind drängt den Regen in zerstreuten Schüben gegen das Land, unruhig wirft sich die Tasmanische See auf grau-schwarz glitzernde Felsen. Die Luft ist erfüllt vom fauligen Geruch vor sich hin rottender Algen, die beim letzten Sturm aus ihren Wäldern gerissen und an Land geschleudert wurden – dazu gesellt sich der feuchte Iod- und Salpeter-Odem halb krepierter Meeresfrüchte, die in den tiefen Ritzen zwischen den Steinen ihr Leben ausdünsten. Die Möwen und Austernfänger, sture Dinosaurier mit Gefühlen aus einer anderen Zeit, legen sich kreischend mit den Böen an. Mein Körper ist durchnässt, der Mund fühlt sich trocken und salzig an, die Stechwunde eines Austernmesser in meinem linken Daumen brennt und es scheint als schlage mein Herz darin. Wie wenig es doch braucht und alles kommt mir unheimlich vor. Wer verspricht mir hier und jetzt, dass die Welt nicht untergeht – meine Welt zumindest?
Tatsächlich liegt der Fishers Point am südöstlichen Ende von Tasmanien nur eine Marschstunde von dem Parkplatz entfernt, auf dem ich mein Auto gelassen habe – ich würde den Rückweg wohl selbst im Dunkeln schaffen. Der ideale Ort also, für ein paar Momente delikaten Schauerns im Unheim abzusteigen.
Es war der französische Admiral Bruny d'Entrecasteaux, der die Bucht hinter dem Fisher's Point 1792 zufällig entdeckte – sein Schiff war in einem Sturm vom Kurs abgekommen. Im Logbuch der «Recherche» beschreibt er den Ort als «eine einsame Bucht am Ende der Welt». Um davon etwas zu spüren bin ich den weiten Weg gefahren, habe ich mich auf immer kleiner werden Strassen an den linken Rand gedrückt, bin ich schliesslich über eine endlose Piste aus löchrigem Lehm geschliddert – bis Cockle Creek, «population: 3» – ein Drittel davon hat mich winkend begrüsst.
An der Spitze, ich bin halb betäubt vom modrigen Atem über dieser Landzunge, spült mir das Meer eine Qualle vor die Füsse, deren Gestalt mein Unheim mit Unwahrscheinlichkeit möbliert: es ist ein Tier von der Grösse eines Lastwagenpneus mit einem rosa und gelb leuchtendem Körper aus flüssigem Glas – und Tentakeln, die aus Eiter zu bestehen scheinen, oder aus Vanillecrème.
First Publication: 19-4-2014
Modifications: