D | E  

Neuste Beiträge

HOIO und Cookuk

  • Das Tagebuch von Raum Nummer 8 (Susanne Vögeli und Jules Rifke)
  • HOIO-Rezepte in der Kochschule – das andere Tagebuch

Etwas ältere Beiträge

Grosse Projekte

Mundstücke

Gewürze aus Santa Lemusa

Abkürzungen

Parallelwelten

London (United Kingdom) Smithfield Market
West Market Building
Donnerstag, 28. August 2014

Ort auf Weltkarte anzeigen

Unser täglich Brot ist das Resultat von Anstrengungen, die in sehr verschieden Welten unternommen werden – Welten notabene, zu denen wir als Konsumenten aus verschiedenen Gründen oft keinen Zugang haben. Wir sehen, wenn wir Glück haben, das Schwein auf der Weide – und dann das Schnitzel in seiner Schutzluft im Supermarkt. Dass es dazwischen ziemlich heftig zugeht, kann uns mehr oder weniger beschäftigen. Mich interessiert jenseits dieser Frage aber auch die Atmosphäre all der Zwischenstationen, wo das Schwein ausgewählt, getötet, auseinandergenommen, portioniert und abgepackt wird. Zweifellos sind das banalste Stätten für all jene, die täglich dort ihrer Arbeit nachgehen. Für mein Gefühl aber passiert all dies in einem Raum und einer Zeit, die sich mir ständig entziehen – in Parallelwelten, die sich nur durch ganz spezielle Eingänge betreten lassen oder nur unter der Prämisse einer bestimmten Auffassung von Zeit sichtbar werden.

Der Smithfield-Market In London Farringdon ist ein solcher Ort, an dem man spürt, dass es diese Parallelwelten gibt. Es ist einer der letzten Grossmärkte, die noch in Londons Innenstadt betrieben werden – andere Hallen wie der Spitalfields Market wurden längst in schmucke Shopping-Malls verwandelt. Die Smithfield-Halle wurde 1866 bis 1868 unter der Leitung des Architekten Horace Jones errichtet – ganz klassisch als Basilika mit vollständig durchfenstertem Obergaden. Dies allein legt die Vermutung nahe, dass sich das Marktgeschehen hier früher am Tag abspielte. Heute aber sind die Händler bei Morgengrauen schon auf dem Heimweg, oder sie besprechen den Gang der Geschäfte bei einem Pint in einem der nahen Pubs. Zwischen zwei Uhr und sechs Uhr nachts jedoch ist hier der Teufel los. Das Publikum hat dann keinen Zutritt und selbst offiziell geführte Gruppen etwa von Agronomen oder Metzgerlehrlingen dürfen erst nach sechs Uhr rein, wenn die Geschäfte gelaufen sind. Und wer noch etwas später kommt, der trifft nur noch die Putzmannschaft an. Da und dort allerdings sieht man auch dann noch durch die dicken Plastiklamellen der Kühlvorhänge ein paar Schweinehälften hängen. Das gelbliche Licht der Notleuchten und die Unregelmässigkeiten im Plastik lassen sie wie impressionistische Bilder wirken. Viel näher kommt uns der Duft in diesen Hallen, er erzählt von all den Dingen, die hier passiert sind – und bläst für unsere Ahnung ein paar Spalten in die schweren Tücher, welche die Welten voneinander trennen.

Siehe auch

  • Ein Rezept zur Episoda: 枝竹羊腩煲 (Lamm-Schmortopf mit Yuba, Shiitake-Pilzen, Wasserkastanien und fermentiertem Tofu)
  • Episoda – eine Sendung für Santa Lemusa (Einführung)
  • Biographie von Peter Polter

First Publication: 1-11-2014

Modifications: