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Treppenhaus an der Falkenstrasse in Zürich. (Sonntag, 29. Dezember 2013)

35. Flasche

Sommertag

Valais Pinot noir de Vétroz Fabienne Cottagnoud 2012

Von aussen unbewegt riecht der Wein nach dunkler Kochschokolade (Cailler), Orangenkonfitüre und säuerlichen Kirschen. Mit der Bewegung tritt eine Veilchennote in den Vordergrund, begleitet von leichten Raucharomen, wie sie stark getrocknete Kräuter oder gewisse Tees verströmen. Auch ein alter Holzschrank steht da, in dem vielleicht einst ein paar Vanillestängel gelagert wurden, vielleicht aber auch nicht mehr ganz neues Verbandsmaterial. Riecht man am oberen Rand des Glases, so sind die fruchtigen Noten stärker.

Im Mund ist der Wein fast etwas zu glatt, fast etwas zu dünn, weder bitter noch süss und auch kaum adstringierend. Von innen dominieren Himbeere und ein leichtes Holz, dann und wann zieht eine Ahnung von neuem Leder vorbei.

Wenn ich von meinem Büro in den Keller hinab steige, wo mein Fahrrad steht, gehe ich im Treppenhaus stets an alten Fenstern vorbei, durch die Tag und Nacht ein Licht fällt, als leuchte draussen der schönste Sommertag. Dabei liegt wenige Zentimeter hinter den Gläsern eine Betonwand – und dazwischen sind ein paar Neonröhren installiert. Obwohl ich das weiss, bin ich jedes Mal ein wenig irritiert, wenn ich Minuten später auf die Strasse hinaus trete, und mir da aus der Dunkelheit einer Winternacht der Regen ins Gesicht schlägt. Also provoziert der Sommertag, wenngleich längst als Illusion entlarvt, doch ein ziemlich starkes Sommergefühl in mir. Dazu gäbe es viel zu sagen – namentlich auch, dass sich wohl ein gut Teil der Werbung auf diesem Mechanismus verlässt. Heute aber ist mir etwas besonders aufgefallen: das reale Wetter mochte dem gefühlten Wetter noch so harsch widersprechen, meine Stimmung löste sich deswegen keineswegs auf, sondern schien im Gegenteil sogar an Plastizität zu gewinnen.

Bestimmt ist man ähnlichen Mechanismen auch beim Verkosten von Wein ausgesetzt – wobei sich im Treppenhaus des Gaumens nur schwer erkennen lässt, was hier Illusion ist und was Widerspruch. Im Abgang setzt der Wein eine Spur von leicht überkochtem Früchtekompott, die indes schnell verblasst.

Getrunken am Sonntag, 29. Dezember 2013 im Wasserzimmer meiner Wohnung über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Gekauft in der «Oenothèque Château de Villa» in Sierre (Fr. 19.50 im Dezember 2013).

Nächste Flasche

Valais Pinot noir de Vétroz Fabienne Cottagnoud Cave de Tilleuls

AOC, 2012, 12.6% Vol.

100% Pinot noir

Rotwein aus dem Wallis (Schweiz), produziert von Fabienne Cottagnoud Cave de Tilleuls in Vétroz (auf Karte anzeigen).

First Publication: 29-12-2013

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