Ursprung. Seit 2009 ist klar, woher der Apfel ursprünglich stammt – aus dem Thien-Shan-Gebirge, das zwischen China, Kasachstan und Kirgistan liegt. In diesem Gebiet, wo einst riesige Fruchtwälder standen, wuchs und wächst auch ein bis zu 7 cm grosser Wildapfel namens Malus sieversii. Barrie Juniper und Riccardo Velasco konnten, indem sie das Genom dieses Apfels mit Malus domestica verglichen, offenbar zweifelfrei beweisen, dass alle Kulturäpfel dieser Welt aus Malus sieversii hervorgegangen sein müssen («The Telegraph», 2. September 2010). Almaty, der Name der frühere Hauptstadt von Kasachstan, soll übersetzt denn auch «Vater der Äpfel» heissen. Mit dem auch bei uns verbreiteten Wildapfel Malus sylvestris (Holzapfel) hat der Kulturapfel also weniger gemein als früher angenommen. Die Verbreitung des Apfels fand offenbar zunächst durch Bären und später Wildpferde statt, bald wurde er aber auch vom Menschen genutzt und den Handelswegen entlang verbreitet. An der Entstehung des Kulturapfels waren jedoch laut Brigitte Bartha-Pichler et al. «Rosenapfel und Goldparmäne» S. 14) noch weitere Malus-Arten beteiligt: «Botanisch spricht man bei unserem Kulturapfel von einem formenreichen Hybridkomplex (Malus x domestica). Vereinfacht ausgedrückt bedeutet das, dass sich viele verschiedene Arten eingekreuzt haben.»
Geschichte. Der Apfel dürfte zu den ältesten Nahrungsmitteln des Menschen gehören – schon in der Jungsteinzeit wurde er durch Trocknung haltbar gemacht, wie archäologische Funde illustrieren. Manche Forscher glauben, der Apfel sei schon in Sumer und Babylon kultiviert worden und dann via Syrien nach Ägypten und Griechenland gelangt – andere halten die Griechen für die ersten Apfelbauern. Wahrscheinlich wuchsen während der Klassik in den prächtigen Gärten des Perserkönigs Dareius auch Äpfel. Die Bedeutung des Apfels in den verschiedensten Mythen der Antike legt den Schluss nahe, dass die Frucht damals von grosser Wichtigkeit gewesen sein muss. Auch im keltischen Kulturkreis spielen Äpfel eine Rolle, wie Bartha-Pichler et al. wissen: «Im Sagenkreis um König Artus und Merlin taucht Avalon als Ort des keltischen Paradieses auf. Avalon bedeutet auf Bretonisch Apfelinsel.»
Die Römer kultivierten den Apfel sowohl wegen der Schönheit der Bäume wie auch wegen der Früchte – und brachten ihre Kunst des Obstbaus auch in die Provinzen, wo allerdings auch damals schon Äpfel kultiviert wurden, wie ein von Bartha-Pichler et al. (S. 16) rapportiertes Zitat illustriert, in dem sich Cato über die Säure der germanischen Äpfel lustig macht, die sogar ein Schwert stumpf machten. Mit dem Christentum kam die Kunst des Obstbaus dann in die entlegensten Winkel Europas.
Im Mittelalter waren es vor allem die Klöster, welche die Kunst des Obstbaus bewahrten. Einen enormen Popularitätsschub erlebte der Apfel in der Renaissance, die vor allem die Kunst des Pfropfens und des Baumschnitts pflegte und auch Zwergformen entwickelte. Das spätere 18. und das 19. Jahrhundert waren dann die Hochzeit der Pomologen, die meist eigene Obstgärten besassen und unzählige Sorten züchteten, veredelten und natürlich auch beschrieben. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurde aber auch der Obstbau sukzessive industrialisiert. Eine Entwicklung, die nach und nach zur Etablierung von Standards und immer effizienteren Anbaumethoden führte – und zugleich zum Verschwinden von immer mehr Apfelsorten.
Pflanze. Der Kulturapfel (Malus domestica; engl. apple; franz. pomme; span. manzana; ital. mela; chin. píng 苹) ist ein Baum, der von Natur aus bis 15 Meter hoch wächst und eine mächtige Baumkrone bildet. In Kultur wird der Baum jedoch oft mit verschiedenen Methoden in eine andere Form gebracht (Wahl der Unterlage, Schnitt). Die Laubblätter sind rund, oval oder eiförmig mit gesägtem Rand. Die Blüten erscheinen im Mai oder Juni einzeln oder in Rispen, die fünf Kronblätter sind weiss oder rosafarben – die Blüte duftet stark. Nach der Bestäubung durch (meistens) Bienen wächst die Frucht nicht aus dem Fruchtknoten heran, sondern aus der Blütenachse – Äpfel sind deshalb streng genommen nur Scheinfrüchte. Die Apfelfrucht ist eine Sonderform der Sammelbalgfrucht. Ein Balg ist, vereinfacht gesagt, eine Art Kapsel mit Samen, die sich aus dem Fruchtblatt bildet (jenem Teil der Blüte, der die Samenanlagen trägt – in der Regel die fettesten Teile im Innern der Blüte). Sind verschiedene solcher Kapseln zusammengewachsen, spricht man von einer Sammelbalgfrucht. Das Sonderbare an der Apfelfrucht ist, dass die Bälge vom Gewebe des Blütenboden überwachsen werden – und also erst nach Entfernung des Fruchtfleisches freigesetzt werden. Damit versucht der Apfel, sich weiter zu verbreiten, fallen die Samen doch nicht bloss unter dem Baum zu Boden, sondern werden von Tieren in die weite Welt hinaus getragen. Damit die Tiere auch mitspielen, die Früchte fressen und die Samen mit dem Kot ausscheiden, sind die Äpfel verführerisch schön und süss – einmal mehr ist, was wir geniessen, im Grunde nur Teil eines Tricks im Dienste einer möglichst erfolgreichen Reproduktion. Was wir das Kerngehäuse des Apfels nennen, ist diese Sammelbalgfrucht – auf Schweizerdeutsch kennt man sie unter dem schönen Namen: «Bütschgi».
Etymologie. Das Wort Apfel geht auf das althochdeutsche Apful zurück, das sich vereinfacht laut Kluge («Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache». Berlin: de Gruyter, 2011, S. 53) aus dem germanischen Aplu entwickelt hat, das wiederum auf das keltisch Ubull zurückgeht. Kluge räumt indes ein, dass das Wort auch nicht-indogermanischer Herkunft sein könnte – ein Erbwort, das im Mittelmeerraum durch das Kulturwort Malo zurückgedrängt wurde.
Äpfel reifen auch nach der Ernte noch nach – dabei setzen sie ein Gas namens Ethen frei, das auch andere Früchte schneller reifen lässt (man nennt Äpfel deshalb klimakterische Früchte). Das Fruchtfleisch roher Äpfel wird in der Regeln von aussen nach innen abgenagt, wobei das etwas härtere Kerngehäuse meist weggeworfen wird – auch aus Respekt vor der Blausäure in den Samen. Der Blausäuregehalt in diesen Kernen ist aber so gering, dass man eine gewisse Menge davon bedenkenlos verspeisen kann.
Äpfel werden in der Küche vielfältig eingesetzt, vor allem für Süssspeisen wie Fruchtsalate, Kuchen und Kompotte. Früher wurden Äpfel oft (gefüllt) im Ofen geschmort. Getrocknete Äpfel gehören zu den beliebtesten Dörrfrüchten. Äpfel passen aber auch in salzige Speisen, namentlich in Schmorgerichte oder in saure Salate, Saucen (etwa mit Meerrettich), zu Käse etc.
Aus Äpfeln wird auch Most gewonnen, ein Teil davon wird zu Apfelwein vergoren – schon die Kelten sollen eine Art Cidre gekannt haben. Aus dem Wein wiederum wird auch Essig gemacht, der in Küche und Heilkunde Verwendung findet.
Es existieren weltweit wahrscheinlich auch heute noch weit mehr tausend Apfelsorten – es gibt also einiges zu degustieren, zu erleben. Nachfolgend stellen wir nur jene Sorten kurz vor, die wir selbst zwischen den Zähnen hatten.
First Publication: 25-9-2014
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