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Auf irgendetwas hat die Rote Bete im Gärstock so reagiert, dass sie sich nicht ganz in meinem Sinne entwickelt hat – Blick in den Küchenausguss meine Zürcher Wohnung. (Montag, 27. Januar 2014)

45. Flasche

Agieren – reagieren

Valais Pinot noir Salquenen Mathier Pyramides 2010

Von aussen unbewegt riecht der Wein nach säuerlichen Kirschen, ein wenig nach Himbeersirup. In der Tiefe steckt auch eine sehr reife Erdbeere. Die Bewegung wischt die Früchte zunächst vom Tisch, macht dem Parfum eines gewaschenen Fells Platz – oder ist es eher ein Duft frisch gewässerter Haut? Seltsam, dass die Drehung die Parfums eher reduziert als hervorschwingt. Dann und wann huscht auch eine ganz leichte Essignote durch den Raum – nicht unangenehm, ein Himbeeressig vielleicht. Zieht man die Luft ganz heftig ein, ist die Frucht ganz klar – nur das sanfte Riechen schafft eine instabile Situation, auch die Türe zu einer Waschküche wird dann und wann aufgestossen. Insgesamt neigt der Wein dazu, sich zu entziehen.

Oder sind wir es, die sich entziehen? Es ist ein wenig wie in Beziehungen – auch da ist es manchmal schwer zu erkennen, wie weit die eigene Aktivität geht, und wo die Taten des Gegenübers die Oberhand übernehmen. Auch beim Wein provoziert jede Ansprache eine Reaktion, die wiederum die Bilder beeinflusst, die man dem Gegenüber dann als Retourkutsche vorhält etc. Die eigenen Anteile sind darin schwer zu isolieren – man kann sich selbst nur als Teil einer Dynamik verstehen. Wahrscheinlich sind wir sowieso nicht imstande zu agieren, sondern nur zu reagieren. Ein «reaktiver Typ», das hört sich nicht sehr sympathisch an – verwechseln wir deshalb gerne unsere Reaktionen mit Aktionen. Wir haben zahllose Gründe, zu reagieren, ja es dient ganz direkt unserem Überleben – aber haben wir irgendeinen Grund, zu agieren. Und macht nicht der Grund aus der Aktion bereits eine Reaktion?

Im Mund ist der Pinot noir eher säuerlich, von mittlerer Dichte, mit etwas Tannin. Ich spüre auch eine markant bittere Note. Von innen nehme ich eine fast etwas aggressiv wirkende Frucht wahr, doch kaue ich aus der Tiefe des Weins auch eine dunkle Schokolade-Note dazu, eine Ahnung von frisch gemahlenem Kaffee, vielleicht auch Toffees, jedenfalls etwas Freundliches, Liebliches. Nun, da ich den Wein im Mund gehabt habe, ist die Frucht auch von aussen stabiler. Mit der Zeit nimmt die Schokolade zu – fast fühlt sich der Wein jetzt wie ein Schoko-Speichel-Wässerchen an. Überhaupt spricht der Wein eine deutlichere Sprache zu unserer nicht mehr ganz frischen Nase, ja er legt jetzt sogar ein paar leicht animalische Noten vor, ein frisch erlegtes Rehkitz. Im Abgang dominieren Schokolade und dann Speckbirne.

Getrunken am Montag, 27. Januar 2014 im Wasserzimmer meiner Wohnung über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Gekauft bei «Flaschenpost» (Fr. 26.50 im November 2013).

Nächste Flasche

Valais Pinot noir Réserve de Salquenen Les Pyramides

AOC, 2010, 13.5% Vol.

100% Pinot noir

Rotwein aus dem Wallis (Schweiz), produziert von Adrian Mathier – Nouveau Salquenen AG in Salgesch (auf Karte anzeigen).

First Publication: 28-1-2014

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