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Weihnachtskugel auf Strandurlaub – Zürich, an der Limmat. (Mittwoch, 8. Januar 2014)

40. Flasche

Schweigen

Valais Pinot noir Les Fils Maye Clos de Balvaud 2012

Von aussen unbewegt riecht der Wein nach leicht säuerlichen Kirschen, er wirkt etwas verschlossen. Mit der Bewegung kreiselt sich eine leicht stinkige Note in den Raum der Aufmerksamkeit – etwas Modriges und zugleich etwas Künstliches, wie frisch aus der Packung befreites Plastikspielzeug. Dann und wann glaube ich auch fast, einen Baselbieter Kirsch im Glas zu drehen – doch neben der Schnapsflasche steht auch ein Flakon mit einem medizinischen Desinfektionsmittel drin, vielleicht auch ein selbstgemachter Essig.

Im Mund ist der Wein eher säuerlich, kaum Tannine – geradlinig. Von innen rieche ich gedörrte Zwetschgen, auch eine Ahnung von nicht ganz reifer Mango und Erdbeere – und alte Wundsalbe.

Im Grunde sollte man das Leben behandeln wie einen Wein. Man sollte die Korken aus allen noch verzapften Möglichkeiten schrauben, sich kräftig eingiessen und dann mit voller Konzentration und weit geöffneten Sinnen daran riechen, daran schmecken, schliesslich schlürfen, schlucken und geniessen, wie es in uns nachwirkt. Natürlich ist das Kitsch mit Käse. Aber heute komme ich mir vor, als sässe ich vor dem Leben wie vor einem Glas Wein – ohne jedoch etwas damit anfangen zu können. Noch ein dämliches Bild. Ich möchte leben wie der kretische Dichter Nikos Kazantzakis: nichts fürchten, nichts hoffen, frei sein. Das ist eine Haltung! Aber ich fürchte. Weil ich fürchte, hoffe ich. Und Freiheit? Immerhin, davon nehme ich mir gelegentlich was.

Wenn das Kind in mir die verweinten Augen aufschlägt, und getröstet werden will – dann bringt dies den Erwachsenen in Aufruhr weil er weiss, dass es keinen Trost geben wird, dass nur er selbst sich die Tränen aus dem Gesicht wischen kann. Vielleicht sollte ich in solchen Momenten einfach schweigen. Alles kommt mir unpassend vor, unpässlich. Aber bedeutet Schweigen nicht immer auch, etwas auslassen, etwas abschneiden? Lebenskosmetik?

Allez, encore un verre. Soyons moches.

Getrunken am Mittwoch, 8. Januar 2014 in der Küche meiner Wohnung über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Gekauft bei «Flaschenpost» (Fr. 18.50 im November 2013).

Nächste Flasche

Valais Pinot noir Vétroz Grand Cru Clos de Balvaud

AOC, 2012, 13.5% Vol.

100% Pinot noir

Rotwein aus dem Wallis (Schweiz), produziert von Les Fils Maye SA in Vetroz in Vétroz (auf Karte anzeigen).

First Publication: 8-1-2014

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