Rosenkohl in Milch gekocht – ein Rezept zu Peter Polters Episoda 150329 Hombourg Rhone–Rhine Canal
Es gibt drei Gründe, warum uns dieses Rezept gut zu Peter Polters Marathon-Spaziergang zu passen scheint. Erstens hatte Polter ebensolchen Rosenkohl noch im Bauch, als er von Basel nach Mülhausen aufbrach. Zweitens hat das fertige Gericht eine Farbe, die uns an die zurückhaltende Pracht eines blühenden Weidenbaumes erinnert – und solche Bäume wachsen zuhauf an den Ufern des Canal de Huningue und des Canal du Rhône au Rhin, denen Polter auf seinem Weg folgte. Dittens haben wir das Rezept in der «Gastronomie pratique» von Ali Bab, alias Henri Babinski gefunden, der uns wie das schiere Gegenteil eines Marathon-Spaziergängers vorkommt – beschränkten sich seine Gänge doch wahrscheinlich auf den Weg zum Markt. Das gilt zumindest wohl für jene Zeit, in der er für seinen Bruder, den Neurologen Joseph Babinski, Koch und Hausmädchen spielte – und mit Messer und Feder am Manuskript seiner «Gastronomie» feilte. Hätte er seine Recherchen von Sport unterbrechen lassen, wäre das kapitale Werk sicher nie zustande gekommen.
Wir halten uns hier weitgehend an das Rezept, das Babinski auf S. 922 seiner «Gastronomie pratique» wiedergibt – verzichten allerdings auf die finale Zugabe von Butter und dicker Sahne, die uns überflüssig oder vielmehr übertrieben scheint. Obwohl der Name des Gerichts, «Choux de Bruxelles à la crème», so eigentlich seine Berechtigung verliert.
Es gibt viele Gründe, diesem Rezept zu misstrauen. Heute gilt als Regel, dass alle Zutaten, vor allem aber Gemüse, nach Möglichkeit schonend zubereitet werden sollen – denn nur so erhalten sich Vitamine und andere Inhaltsstoffe. Wenn Rosenkohl mehr als eine Stunde gekocht wird, dann ist das schon ein arger Verstoss gegen das Gesetz. Doch das 19. Jahrhundert hatte in der Küche andere Prioritäten. Dieses Rezept transformiert den Rosenkohl in eine Speise, die unglaublich altmodisch schmeckt – und mindestens ebenso gut. Vitamine sind da wohl kaum noch drin – und von der Konsistenz her bewegt sich der Rosenkohl je nach Zustand der verwendeten Rosetten gefährlich nahe an der Pampe. Das Aroma aber ist umwerfend blumig und nussig, lieblich, süss, etwas käsig – und weist erstaunlicherweise keinerlei lästiges Kohlarmoma auf, wie man es nach der langen Kochzeit eigentlich erwarten würde. Das Rezept kommt ohne ein einziges Gewürz aus – und schmeckt doch fast so würzig wie ein nordindisches Korma.
Kochzeit 70 bis 90 Minuten
First Publication: 1-4-2015
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