Geschichte. Die Geschichte der Gewürznelke ist wohlbekannt und hängt, wie die vieler anderer Gewürze, eng mit der Kolonialgeschichte zusammen. Gewürznelken haben ihre Heimat auf einigen Inseln in den nördlichen Molukken. Als bedeutendste Nelkeninseln der Antike gelten die benachbarten, rund 10 Quadratkilometer grossen Vulkaninseln Tidore und Ternate. 1512 errichteten die Portugiesen auf diesen Inseln einen Stützpunkt, den sie jedoch 1575 wieder aufgeben mussten. Jahrzehnte stritten die Portugiesen und die Spanier um die Inseln, schliesslich aber waren es die Holländer, die den Anbau von Gewürznelken unter ihre Kontrolle brachten. Sie hielten lange das Monopol, bis es im 18. Jahrhundert einem französischen Botaniker namens Pierre Poivre gelang, den Nelkenbaum auch auf Mauritius und La Réunion sowie in der Karibik anzupflanzen. Bedeutendstes Anbaugebiet sind heute die Inseln Pemba und Sansibar. Laut Babette Pfander («Pfefferland», S. 175) heisst es noch heute auf dem Logo der Gewürznelken-Behörde von Sansibar: Karafuu ni uhai wa nchi – «Gewürznelken sind das Leben der Nation».
Pflanze. Die Gewürznelke (Syzygium aromaticum; engl. clove; franz. clou de girofle; span. clavo; ital. chiodo di garofano) ist die Knospe eines Baumes aus der Familie der Myrtaceae (Myrtengewächse). Nelkenbäume sind immergrün und können bis 20 m hoch wachsen, wobei sie in Plantagen meist deutlich kleiner gehalten werden. Die Bäume sind empfindlich und wachsen nur in den Tropen – am besten auf Vulkaninseln und auf Meereshöhe. Die Äste der Nelkenbäume sind zart und wirken zerbrechlich. Die Blätter sind dunkelgrün glänzend, lanzettlich, zugespitzt und ganzrandig. Die Blüten erscheinen endständig in Dreiergruppen. Die Knospen sind gelblich und bestehen aus einem röhrenförmigen Kelch mit vier Kelchblättern und kugelig verwachsenen Kronblättern. Es sind diese Knospen, die als Gewürz verwendet werden. Sie erscheinen zu Beginn der Regenzeit, es kommt aber erst mindestens sechs Monate später zur Blüte. Kurz bevor sich die erste Blüte öffnet, wird der ganze Blütenstand abgeschnitten und in der Sonne getrocknet. Ein Nelkenbau muss während mehrerer Wochen beerntet werden und trotzdem liegt der Etrag pro Baum meist nur bei wenigen Kilogramm.
Laut Gernot Katzer und Jonas Fansa («Picantissimo», S. 80) gibt es zwei verschiedene Sorten, beide haben ihren Ursprung in Indonesien, wobei Kiri am verbreitetsten ist und Siputih die grössten und teuersten Nelken produziert. Seit Jahren wird der Handel von Sansibar dominiert – Indonesien verbraucht einen Grossteil seiner Produktion selbst, nicht in der Küche allerdings, sondern in erster Linie für die Produktion von Nelkenzigaretten (Kretek).
Gewürznelken haben einen intensiven, blumigen Duft mit Anklängen von Pfeffer und Kampfer. Im Mund sind sie scharf und fruchtig, leicht bitter. Sie hinterlassen ein leichtes Gefühl der Betäubung am Gaumen.
In Europa werden Nelken in Schmorgerichte (vor allem Wild oder Rind) gegeben und sind fester Bestandteil vieler Saucen, Fonds und Marinaden. Würste, Terrinen und Sülzen enthalten oft Nelken, auch süsses Gebäck (vor allem Lebkuchen) und Kompotte, Glühwein etc. Im Boudin (der auf Santa Lemusa so beliebten, eher kleinen Blutwurst), so Deon Godet, «verleihen die Nelken dem Blut des Schweins etwas geradezu Lithurgisches und vermittelt uns so das Gefühl, der Tod des Tieres sei sinnhaft, ja weihevoll wie ein Opfer.» Nelken sind fester Bestandteil zahlreicher Gewürzmischungen: Sie gehören in das französische Quatre-épices (zusammen mit Pfeffer, Muskat und Zimt), in das vorderorientalische Baharat,in äthiopisches Berbere, in nordinidisches Garam Masala und chinesisches Fünf-Gewürze-Pulver.
Laut Katzer und Fansa («Picantissimo», S. 86) kommen bei Gewürznelken deutliche Qualitätsschwankungen vor: «Zu spät geerntete, schlecht getrocknete oder aus betrügerischen Gründen teiletrahierte Ware enthält wenigere ätherisches Öl. Da Nelkenöl schwerer als Wasser ist, schwimmen solche minderwertige Nelken waagrecht auf der Wasseroberfläche, während ölreiche Ware ein vertikale Position einnimmt (unter der halbkugelförmigen Haube aus den Blütenblättern befindet sich eine Luftblase) oder ganz untergeht.»
In den Wäldern rund um Salé und den Lac du Nombril wachsen Nelkenbäume, die seit Ende des 19. Jahrhunderts von der Familie Nacady bewirtschaftet werden. Diese Gewürznelken sind relativ gross und reich an ätherischem Öl. Sie haben einen wild-würzigen, tierischen und auch etwas blumigen Duft – und sollten in der Küche mit Vorsicht dosiert werden. «Bourdons d'Ejac» wird von HOIO exklusiv nach Europa importiert.
First Publication: 26-1-2011
Modifications: 6-10-2011, 12-5-2016