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Alsace Riesling Zind-Humbrecht Calcaire 2011

Von aussen unbewegt riecht der Wein nach Pampelmuse, nach Fruchtholz und Ananas in der Dose. Mit der Bewegung kommen Steine ins Rollen – schwere Kiesel, über die Lange Wasser lief, wovon noch die weissen Verfärbungen zeugen. Jemand hat seine Fingernägel in die Haut der Pampelmuse gegraben, die nun vielleicht eher eine Mandarine ist, auch Schwarzpulver ist da, ein ganzes Pack mit Feuerwerks-Raketen. Im Mund ist der Wein leicht bitter und sehr voll. Von innen fällt zunächst die Lakritze auf, die sich sofort in alle Ecken und Winkel verteilt. Dann ist da ein Aroma wie ich es von gekochter Rinderkuttel kenne, eine freundliche Fülle, die aber auch ein wenig nach Stall, nach Kuhkot und halbvergorenem Gras riecht. Dann und wann klingen helle Metallnoten an, rückt man der Kuttel mit frisch gewetzten Messern auf dem Leib.

Immer noch drücke ich meine Atemluft regelmässig so durch den Körper, dass am Zwerchfell hinter dem Brustbein eine heftige Fülle entsteht. Wenn es gelingt, ein gewissen Druck zu erreichen, dann löst das ein Gefühl von Befriedigung aus – vielleicht ist es auch nur ein ganz kleiner Moment von Lösung. Geht mir die Luft vorher aus, provoziert das eine leichte Panik. Es ist eine Strapaze für meinen Leib – und es sorgt zuverlässig dafür, dass ich angespannt bleibe. Das Brustbein respektive Schwertbein, so erklärte mir meine Atemtherapeutin am vergangenen Montag, habe viel mit dem Sprechen, mit der männlichen Stimme zu tun. Wenn die Mitte meines Körpers ein Schwert ist, dann steckt es in seiner Scheide fest – oder aber in einem Felsbrocken, wie in der Sage von König Artus. Meine pneumatischen Kraftmeiereien könnte ich demnach auch als Versuche verstehen, das Schwert aus dem Felsen zu reissen. Und wenn unter diesem Brustbein eine Wut vergraben läge, von der ich bis dato noch nichts geahnt habe, dann wäre sie ohne Zweifel die Hand, die das Schwert führen würde.

Zeit und Wärme verändern den Wein, nun kaue ich etwas Medizinisches aus ihm heraus, eine Ahnung von Hustensirup, zu dem seine Bitterkeit passt. Wir sind in einer sehr alten Apotheke – sicher gibt es hier auch für mich die rechte Medizin.

Getrunken am Mittwoch, 3. September 2014 in der Küche meiner Wohnung über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Gekauft in der «Boutique Clos 3/4» in Mulhouse (€ 24.50 im Juni 2014).

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