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Alsace Riesling Guy Wach Grand Cru Kastelberg 2008

Von aussen unbewegt riecht der Wein nach einem mit leicht zitronigem Wasser frisch aufgenommenen Kalksteinboden, der von der Sonne beschienen wird. Ein Honigbonbon weiss nicht recht, ob sein Aroma aus einem Bienenstock stammt oder aus dem Labor eines Tüftlers. In dem Kessel mit dem Wasser für den Boden war auch schon Javelwasser drin – schlecht ausgespült. Mit der Bewegung schwappt eine metallische Note ins Zentrum, die blanke Klinge eines Eisendolchs, mit dem Holunderblüten geschlagen wurden.

Im Mund ist der Wein eher süsslich und ganz leicht bitter, säuerlich im Abklang, voll und reich. Von innen bricht eine sehr reife Charentais-Melone auf. Im Hintergrund werden einem Baby die Winden gewechselt – ganz bestimmt von einem Vater. Im Traum habe ich heute Nacht um ein Haar mein Flugzeug verpasst. Ich wurde am Sicherheitscheck aufgehalten, habe schliesslich mein ganzes Hab und Gut dort zurückgelassen, bin gerannt. Doch am Hauptzugang zu dem Flieger stiegen Väter mit ihren kleinen Söhnen ein, die alle einen WLAN-Coupon in der Hand hielten. Da gehörte ich nicht dazu. Also ging ich nach vorne zur Ersten Klasse und bestieg dort – als letzte Möglichkeit, doch noch an Bord zu kommen – einen Aufzug. Es war ein ganz enger Raum, in dem ich meine Arme kaum vom Körper lösen konnte – und er bewegte sich langsam, so langsam, dass ich allmählich Angst bekam, dass ich steckenbleiben könnte. Ich spürte, dass das Flugzeug in Richtung Startbahn rollte und merkte, dass Panik in mir hochstieg. Der Aufzug kam mir nun vor wie ein Sarg. Doch gerade noch im rechten Moment liess ein Bagger hinter meinem Haus einen grossen Stein in die Transportschale eines Lasters knallen – und ich war wach.

Der Riesling erinnert auch ein wenig an Zuckerwatte oder an die gekringelten Zuckerstangen, wie sie auf Jahrmärkten verkauft werden. Überhaupt ist der Wein ein wenig unseriös, ein auf Flaschen gezogene Jahrmarktsbude. Das lässt mich an einen anderen Traum denken, in dem sich hinter meinem Haus statt der Baustelle ein gigantisches Karussell drehte – die Plastik-Figuren, die da von Kindern beritten werden sollten, waren alles Verwandte oder Bekannte von mir. Da kniete mein Vater auf allen Vieren, die Pfeife im Mund – dort führte mein Hausarzt ein Einhorn am Zügel, auf das man sich setzen konnte. Ob der Wein deshalb plötzlich auch eine leicht medizinische Note hat?

Getrunken am Dienstag, 18. November 2014 in der Küche meiner Wohnung über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Gekauft bei «Au Monde du Vin» in Saint-Louis (€ 27.00 im Oktober 2014).

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