Im Rahmen der Ausstellung «Persönlich» im Kunsthaus Langenthal (25. August bis 3. Oktober 2004) schreibt José Maria einen empörten Brief (siehe unten) an die Kuratorin Marianne Burki – darin beklagt er sich, dass er für die Ausstellung keine persönliche Einladung bekommen hat: «Denn was soll ein Gastkünstler tun, wenn plötzlich andere Gäste das Haus stürmen? Wie soll er seinen Status als Gastkünstler halten, wenn andere Gäste sogar selbst wiederum Gäste einladen, die dann ja Gäste der Gäste, also Untergäste sind?» In der Ausstellung zeigt Maria ein paar ziemlich düstere Super-8-Filme, die der Zürcher Kunstkritiker Samuel Herzog in Marokko aufgenommen hat.
Liebe Marianne,
die Sache ist mir einigermassen unangenehm. Als Gastkünstler bin ich ja, wie die Bezeichnung ahnen lässt, in deinem Kunsthaus Langenthal zu Gast. Und bisher war ich das auch mit grossem Vergnügen. Nun aber hast du für die Ausstellung «Persönlich» andere eingeladen: Gemeinderäte und Präsidenten, Akteure aller Art. Die wiederum haben nochmals andere eingeladen, deren Werke nun im Kunsthaus zu sehen sein werden. An mich hast du dabei wohl nicht gedacht. Denn was soll ein Gastkünstler tun, wenn plötzlich andere Gäste das Haus stürmen? Wie soll er seinen Status als Gastkünstler halten, wenn andere Gäste sogar selbst wiederum Gäste einladen, die dann ja Gäste der Gäste, also Untergäste sind?
Nun, eine gewisse Zeit lang habe ich ja gehofft, dass einer deiner Gäste vielleicht auf die rettende Idee kommen könnte, mich als seinen Gast einzuladen. Das waren bange Tage. Leider aber ist das keinem eingefallen. Ich, seit Jahren treuer Gastkünstler hier in Langenthal, wurde ausgerechnet zur Ausstellung der Gäste nicht eingeladen. Wenn ich aber da nicht zu Gast bin, ja nicht einmal als Gast eines Gastes, was bin ich denn dann? Ein Ungeladener? Ein Gast ohne Gastlichkeit? Ein Ungast, der wie ein Untoter als garstiger Gastgeist durchs Gasthaus geistert?
Erst wollte ich ja sofort abreisen. Langenthal, ade. Dann wollte ich einen karibisch gepfefferten Leserbrief an den «Langenthaler Boten» schreiben, die Öffentlichkeit über die skandalösen Vorgänge informieren. Ja ich dachte auch schon daran, vielleicht eine Demonstration zu organisieren – eine Protestversammlung vor dem Kunsthaus, zusammen mit Greenpeace, WWF, SVP und PKK.
Doch keine Angst, liebe Marianne. Wenige Tage vor der Eröffnung der Schau kam mir nämlich dann die zündende Idee: Wenn ich schon als Künstler nicht zu der Ausstellung zugelassen bin, dann kann ich doch wenigstens meinerseits einen Gast einladen. Das war die Lösung. Und ich wusste auch sogleich, wen ich anfragen würde: einen Kritiker natürlich (vielleicht, du wirst mir das verzeihen müssen, auch ein wenig als Vergeltung für meinen verletzten Stolz). Ich rief also Samuel Herzog an, den ich kürzlich anlässlich einer Podiumsdiskussion in Kriens kennen gelernt habe. Herzog arbeitet bei einer Zeitung in Zürich. Und Herzog war nach kurzem Zögern auch bereit, mir ein typisches Kritiker-Kunstwerk zur Verfügung zu stellen – eine Serie von Filmen nämlich, die er vor zwei Jahren in Marokko aufgenommen hat.
Leider gibt es diese Filme nur auf Super8. Ich lasse Sie derzeit auf einen digitalen Datenträger überspielen. Ob es aber für die Eröffnung reicht? Anbei sende ich dir schon mal zwei Fotos, die bei den «Dreharbeiten» (wie Herzog seine Filmerei zu nennen pflegt) entstanden sind: Das eine zeigt einen Drehort in irgendeinem Tal bei Essaouira, das zweite zeigt Herzog in Aktion. - Nun hoffe ich, dass du mein Vorgehen akzeptieren kannst und wir die Schatten aufhellen können, die sich bei der Vorbereitung von «Persönlich» über unsere – bisher doch recht erfreuliche Zusammenarbeit in Langenthal gelegt haben.
José Maria
First Publication: 8-2004 (vormals PJ073)
Modifications: 24-3-2009, 17-6-2011