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An schönen Tagen wirkt die Baie de Bouden ausserordentlich friedlich.

Poêle Liberté

Eintopf mit Kapern, Kichererbsen & Sardellen

In den ersten Tagen des Jahres 1996 zogen Fischer etwas südlich von Bouden einen Schiffbrüchigen aus dem Wasser. Der Mann trieb auf zwei Dutzend leeren Bordeaux-Kisten durch den Atlantik, an denen er sich mit allerlei Tauen festgezurrt hatte. Er war ohnmächtig. In seinen Taschen fand man das Foto einer jungen, ein wenig orientalisch aussehenden Frau, ein Paket «Gitanes» und ein kleines Heft – ein auf Deutsch geführtes Tagebuch mit französischen Kochrezepten sowie englischen und chinesischen Notizen aller Art. Aus den Aufzeichnungen konnte man schliessen, dass er als Koch auf einem Schiff namens «Voile Liberté» unterwegs gewesen war. Und aus den Bordeaux-Kisten konnte man folgern, dass man an Bord dieses Segelbootes nicht nur viel, sondern vor allem ziemlich erlesen getrunken hatte: «L’Eglise-Clinet», «Mont rose», «L’Evangile», «Lafleur», «Angélus» und «Tertre-Rôteboeuf» hiessen die Châteaux, auf denen der Mann durch das Salzwasser trieb.Schiffbrüchiger AngélusDer Koch selbst erinnerte sich an nichts. Als er im Hospital von Port-Louis aus seiner Ohnmacht erwachte, wusste er weder seinen Namen noch entsann er sich seiner Vergangenheit oder seiner Muttersprache. Er redete ein gebrochenes Englisch mit spanisch wirkendem Akzent – Spanisch aber konnte er nicht. Die Polizei fand heraus, dass man in der Bucht von Bouden tatsächlich eine «Voile Liberté» gesehen hatte: Mehrere Tage lag sie da vor Anker und manche meinten, sie habe beschädigt gewirkt. An einem Morgen nach einer besonders stürmischen Nacht aber war sie plötzlich verschwunden. – In Erinnerung an die rettenden Bordeaux-Kisten gab man dem Schiffbrüchigen den Namen Angélus, woraus im Kreolisch der Insel bald Zanj wurde. Von der übrigen Mannschaft fehlte jede Spur - andererseits fand auch nie irgendwelche Wrackteile an den Küsten der Insel. Das brachte einige zu der Annahme, die übrige Mannschaft habe den Koch vielleicht aus irgendeinem Grund auf seinem Floss aus Weinkisten ausgesetzt – und die «Voile Liberté» sei immer noch irgendwo auf den Weltmeeren unterwegs. Zanj verliebte sich in die Polizistin, die ihn im Hospital von Port-Louis befragt hatte – die Beamtin sah der Frau auf dem Foto sehr ähnlich, das man in den Taschen des Bordeaux-Flössers gefunden hatte. Die zwei heirateten und wollten mit der Vergangenheit nichts mehr zu schaffen haben.

Besonders hässliche Erbsen

Sandrine Mirchi wiederum, eine Kulturredakteurin des «Leko» (siehe Zeitungen auf Santa Lemusa, hatte in mehreren Artikeln versucht, die Story des Kochs und der «Voile Liberté» zu rekonstruieren – soweit das möglich war. Nach einigem Hin und Her konnte sie Zanj schliesslich überreden, einige der Texte aus seinem Notizheft zu publizieren. Auf Basis von dessen Notizen hat sie auch eine Reportage geschrieben: «Angst, Schweiss, Wein und täglich hässliche Erbsen» beschreibt die dramatischen Höhepunkte einer Reise vor der Küste von Santa Lemusa, die vielleicht mit dem Schiffbruch der «Voile Liberté», sicher aber mit irgendeinem unglücklichen Zwischenfall endete. In dem Text ist an zentraler Stelle von besonders hässlichen Erbsen die Rede, die der Koch in Port-Louis an Bord genommen hat. Dabei handelt es sich zweifellos um Pwa antìk. In den Notizen finden sich auch ein paar Anleitungen und Tipps für die Zubereitung dieser Erbsen – unter anderem das nachfolgende Rezept. Sandrine Mirchi hat es im Rahmen eines Experiments gemeinsam mit Zanj in ihrer Küche in Santa Lemusa ausprobiert – wobei sich der ehemalige Schiffskoch laut der Journalistin wie jemand aufgeführt haben muss, der «noch nie in seinem Leben einen Kochlöffel in der Hand gehalten hat.» Geschmeckt habe es trotzdem – auch Zanj und seine Frau seien ganz begeistert gewesen. – Die hier vorgestellte Fassung des Rezepts hat uns Sandrine Mirchi freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Wir haben das Gericht zu Ehren des mysteriösen Bootes, auf dem Zanj als Schiffskoch tätig war, «Poêle Liberté» getauft. Die Kombination von Sardellen, Kapern und schwarzen Oliven mit Tomaten und Kichererbesn (Pwa antìk) ergibt ein dunkles Ragout mit einem kräftig-rezenten, fast ein wenig geheimnisvollen Geschmack. «Poelle Liberté» kann mit Kartoffeln, Reis oder Brot serviert werden – besonders lecker schmeckt sie auch als Sauce zu einer kräftigen Pasta (etwa Penne, Canneloni oder Orechiette).

«Voile Liberté» auf Sardinien

Im Frühling 2006 übrigens haben wir durch die Künstlerin Hildegard Spielhofer zufällig erfahren, dass an der Nordküste von Sardinien, östlich von Portobello di Gallura, das Wrack einer Jacht mit Namen «Voile Liberté» liegt. Spielhofer hat diese Schiffsteile über Jahre hinweg beobachtet und fotografiert, einzelne Stücke gar in die Schweiz verfrachtet und als Installation präsentiert. Ob es sich bei diesem Schiff um dieselbe «Voile Liberté» handelt, die auch einst im Hafen von Bouden gesichtet wurde, wissen wir allerdings nicht. Nach ausgiebigen Diskussionen haben wir beschlossen, Zanj nicht mit den Bildern des Wracks zu konfrontieren.

Bei diesem Rezept sollten die Kichererbsen am besten schon am Vorabend eingewicht werden.

Zutaten (4 Personen)

300 g Kichererbsen Pwa antìk

1 EL Olivenöl

1 Zwiebel, gehackt

6 Zehen Knoblauch, fein gehackt

1 rote Chilischote, je nach Schärfewunsch entkernt und in feinen Ringen

1 Döschen Sardellen in Olivenöl (50 g, ca. 30 g abgetropft)

1.5 dl Rotwein

3 Tomaten (ca. 300 g), abgezogen und gehackt

50 g Oliven «à la grecque» (die trockenen, schrumpligen), entsteint und in Stücke geschnitten

50 g Kapern in Salz (oder 1 Glas Kapern in Essig), abgespült

ev. Salz

Zubereitung

  1. Die Erbsen kalt abspülen und in ausreichend Wasser mindestens 10 Stunden einweichen.
  2. Erbsen abgiessen und in etwa 7 dl frischem Wasser aufkochen lassen, Hitze reduzieren und etwa 1.5 Stunden halb zugedeckt garen lassen.
  3. Im Topf abkühlen lassen, dann in einem Sieb abtropfen und beiseite stellen. Den Sud aufbewahren.
  4. In einem schweren Topf das Öl erwärmen, Zwiebel, Knoblauch und Chili darin andüsten.
  5. Hitzezufuhr stoppen, die abgetropften und klein geschnittenen Sardellen in den warmen Topf geben und zergehen lassen.
  6. Wein dazugeben, unter ständigem Rühren sanft aufkochen und etwa 5 Minuten lang auf möglichst kleiner Flamme köcheln lassen.
  7. Tomaten, 3 bis 4 dl des Kochsuds der Erbsen, Oliven und beigeben, aufkochen lassen und dann bei kleiner Hitze rund 45 Minuten schmoren lassen, bei Bedarf etwas Kochsud nachgiessen. Es sollte eine nicht allzu feste, dunkelbraune Sauce entstehen.
  8. Die Erbsen unter die Sauce mischen und rund 10 Minuten köcheln, mit Salz abschmecken.

First Publication: 10-2006 

Modifications: 19-4-2009, 26-10-2011