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«Digestions»

Bücher über Psyche und Ernährung gibt es zu Hauff – dieses Buch aber untersucht, teilweise mit psychoanalytischen Methoden, welche Bedeutung einzelne Nahrungsmittel für die Seele des Menschen haben, was ihr Anblick, ihr Geruch, ihr Verzehr in uns bewirken. «Natürlich liegt hier nicht die Karotte auf der Couch», heisst es im Klappentext, «aber der Mensch, der die Karotte zwischen den Zähnen hält, beisst, kaut, riecht, schmeckt, schluckt, nachspürt, verdaut…»

Das Buch ist wie ein Lexikon aufgebaut, das verschiedene Nahrungsmittel in mehr oder weniger kurzen Texten vorstellt. Die Autorin geht ihr Thema auf recht unterschiedliche Weisen an. Vorurteile, kulturell geprägte Einschätzungen, Erwartungen, physiologische Erlebnisse, Faktoren wie Zeit und Raum, sozialer Kontext und kulinarisches Wissen – alles spielt hier eine Rolle. Auch geht Poza immer wieder auf die Frage ein, welche Bedeutung einzelne Nahrungsmittel innerhalb der Entwicklungsgeschichte des Menschen haben. So zum Beispiel in einem Passus über den Apfel. Es sei kein Zufall, schreibt sie, dass wir mit dem Apfel die Eigenschaft teilen, erröten zu können: «Um an die süssen Äpfel zu kommen, musste der Mensch sich auf seine Hinterläufe stellen - dabei entdeckte er die Vorzüge des aufrechten Gangs. Es gefiel ihm, durch seinen Garten zu spazieren und mit seinen Händen die Früchte von den Bäumen zu pflücken. Gleichzeitig bemächtigte sich ein neues Gefühl seiner Seele, denn mit der Erhebung waren auch plötzlich die Geschlechtsteile über dem Gras der Wiese sichtbar geworden – also brach der Mensch einen Zweig von einem Strauch und verbarg so sein Geschlecht vor den Augen der anderen. Eine Hand für die Frucht, die andere für den Zweig. Also markiert der Griff nach dem Apfel zugleich den Anfang der Kultur und die Geburt der Scham.»

«Die Psychologie hat sich bis heute immer nur darum gekümmert, wie sich psychische Verhältnisse in einem bestimmten Essverhalten ausdrücken», schreibt Poza in ihrem Vorwort: «Ich glaube indes, dass jedes einzelne Nahrungsmittel etwas darstellt, zu dem sich unsere Psyche auf komplexe Weise in Bezug setzt. Dieses Buch versteht sich als ein erster Ansatz zur Erforschung dieses weiten Gebiets.» In ihrem Vorwort erläutert die Autorin auch den Titel ihres Werks und weist darauf hin, dass man auch dessen Klang berücksichtigen müsse – denn «Digestions» höre sich doch sehr ähnlich an wie «Des questions».

Gordina Poza: «Digestions. La honte de la courgette et la rage des tripes. La signification de nos aliments – vu du point de vue de la psychoanalyse». Port-Louis: Maisonneuve & Duprat, 1989.

First Publication: 25-9-2014

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