Die Welt ist sich einig, dass der Verzehr von Wal ethisch verwerflich ist. Ob das grundsätzlich und immer so zu sein hat, können wir nicht beurteilen. Ebenso wenig können wir einschätzen, wie problematisch die Jagd auf Wale generell ist. Man müsste eigentlich annehmen, dass eine klar reglementierte und vernünftig betriebene Jagd auf einzelne, in ihrem Bestand nicht bedrohte Walarten, durchaus möglich sein müsste. Wenn wir allerdings vernehmen, dass Japan die Walfangindustrie stark subventioniert und folglich viel mehr Wal gejagt als verzehrt oder anders vernünftig verwendet wird, dann haben wie ein ungutes Gefühl.
Wale (Cateacea) sind Säugetiere, die ausschliesslich im Wasser leben – oder genauer ausgedrückt: aquatisch lebende Landwirbeltiere. Es gibt rund achtzig Arten, die auf zwei Unterordnungen verteilt sind. Die vegetarischen Bartenwale (Mysticeti) ernähren sich von Plankton, das sie filtrieren – zu ihnen gehören die grössten Tiere. Die karnivoren Zahnwale (Odontoceti) leben räuberisch – zu ihnen gehören etwa die Schwertwale, die vielleicht elegantesten Killer der Weltmeere.
Wale gehören zu jenen Fischen, die man sich als Hobbykoch kaum im Ganzen besorgen kann – ja auch ihr Fleisch ist ausserhalb der wenigen Walfang-Länder (Japan, Norwegen, Island) nicht zu bekommen. Man ist folglich auf die Erfahrungen angewiesen, die man in Restaurants machen kann. Ein Schwierigkeit besteht dabei darin, dass man keine Ahnung hat, was für ein Walfisch einem vorgesetzt wird. Das kulinarische Erlebnis findet folglich in einem relativ undefinierten Raum statt.
Unsere Erfahrungen mit Wal-Fleisch sind sehr heterogen. In Oslo zum Beispiel assen wir im Juli 2006 ein Wal-Steak, das eine eher granulöse Konsistenz und einen markanten Lebergeschmack hatte. In Reykjavik bekamen wir im Mai 2007 ein Sashimi vom Wal vorgesetzt, das zwar eine wunderbar rote Farbe hatte, jedoch nicht das geringste Aroma.
In Tokyo waren wir im April 2013 in einem Lokal, das ausschliesslich Wal serviert – es heisst «Kujiraya» (www.kujiraya.co.jp) und liegt an der Dōgenzaka nahe beim Bahnhof Shibuya. Was für einen Vertreter der grossen Wal-Familie wir in dem schönen Lokal vorgesetzt bekamen, war nicht herauszufinden. Wir hatten Sashimi von der Zunge: ein weisses, fett wirkendes Fleisch mit einem markanten Markbein-Aroma. Das Sashimi vom Walherz war zart und fest zugleich, das Aroma ein wenig vom Rosa Pfeffer überdeckt. Das Sashimi aus der Walschulter hatte eine dunkelbraune Farbe und eine fleischige aber nicht zähe Konsistenz. Es hatte ein leicht metallisches und etwas harziges Aroma – es schmeckte auch zitronig, ohne aber sauer zu sein. Das gebratene Stück aus der Schulter war vom Geschmack des Ausbackteiges überdeckt und eher zäh. Vom Grill schmeckte das Schulter-Fleisch je nach Bratzeit mehr oder weniger stark nach Leber und hatte wieder ein leicht metallische Note. Zum Abschluss wurde uns ein Reis mit Wal-Topping serviert, das stark nach Gegrilltem und ein wenig nach Weihrauch schmeckte. Dazu gab es eine Kanne mit einer salzig und leicht nach Fisch schmeckenden Brühe, die wie der Tee beim Ochazuke zum Reis in Schale gegossen werden wollte.
First Publication: 24-4-2013
Modifications: