D | E  

Mokpo, Haeanno (Fischmarkt)

Szene 15

Faszinierender noch als dieses Rochen-Spektakel fand Maille die Ordnung, mit der hier die verschiedensten Fische auf grossen Gittern in der Sonne zum Trocknen ausgelegt waren. Sicher gab es praktische Gründe für diese Akuratesse, sie wirkte aber auch wie ein ästhetisches Statement – als ginge es darum, die grundsätzlich doch eher krude Arbeit der Schlachterei durch Ebenmass und Ordnung in einen sophistizierten, kulturellen Akt zu verwandeln.

«War die Matte nicht gerade, so setzte er sich nicht»*, heisst es in einem der Gespräche von Kong Tse. Seit seinem ersten Atemzug auf koreanischem Boden hatte Maille die Präsenz des Meisters gespürt, dessen Lehren hier vielleicht sogar noch rigider interpretiert wurden als in China. Kein Wunder wurden auch die Fische konfuzianisiert. Ein gnädiges Netz hatte sie vom Fluch erlöst, chaotisch im Meer herum zu schwimmen. Befreit von ihrer Ziellosigkeit lagen sie nun in Reih und Glied nebeneinander, als Familie gewissermassen, als Teil eines grösseren Ganzen, eines Konzepts.

*Konfuzius: «Gespräche», X, 9.