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Gwangju, Downtown

Szene 6

Maille fühlte sich einsam und fremd – doch war ihm dieses Gefühl selbst auch eigentümlich vertraut. Denn mit den Jahren des Reisens im Dienste der Republik von Santa Lemusa kam ihm dieses Fremdsein mehr und mehr wie eine Art Heimat vor, wie eine eigene, landlose Nationalität – ganz als fühlte man sich ständig mit einem Ort verbunden, den es gar nicht gibt, eine Referenz ohne Objekt.

Auf die Frage nach seiner Herkunft hätte er manchmal gerne und mit grosser Selbstverständlichkeit geantwortet: «aus dem Ausland» – ganz als handle es sich bei diesem «Ausland» um einen konkreten Ort, um einen wenig bekannten Stern vielleicht. Manchmal dachte er auch daran, sich ein Land zu erfinden – eines, auf das man unglaublich stolz sein konnte und das einen nie enttäuschte. Santa Lemusa war sicher nicht der übelste Flecken auf dieser Erde – aber es musste besseres geben. Meist war es ja das Drin-sein, das einen mit seinen Regeln und Automatismen, seinen Wiederholungen und Selbstverständlichkeiten zermürbte. Warum sollte man nicht aus einem Land stammen, das es nur aus der Aussenperspektive gab: aus einem Ausland ohne Inland?