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Dakar, Place de Soweto (IFAN)

Szene 23

Im selben Moment waren Sirenen zu hören, wurden die Trommeln lauter, formierten sich die Stimmen der Schüler zum rhythmischen Sprechgesang. Limousinen fuhren vor und Sekunden später schritt Abdoulaye Wade durch die Menge – mit einem etwas maskenhaften Lächeln im Gesicht, bereit, die 8. Kunstbiennale von Dakar feierlich zu eröffnen. 

Während die ersten Redner den üblichen Zweikampf mit den Pfeiftönen und Rumpelgeräuschen der Mikrofonanlage ausfochten, durchsuchte Maille die Taschen des Attentäters, der zu seinen Füssen ohnmächtig lag – gut getarnt durch die mächtige Bohnenhecke. Er fand amerikanische Zigaretten und Kaugummi mit Erdbeergeschmack, eine Büroklammer, ein paar Geldscheine, ziemlich viele Macadamia-Nüsse und natürlich ein Döschen mit Asafoetida – war es doch Tradition der Mörder von Dr. Hing, ihre Tatorte mit ein paar Krümeln dieses stinkenden Teufelsdrecks olfaktorisch zu markieren. Maille fand indes weder einen Hinweis auf die Identität des Mannes noch auf seine Herkunft.

Einen Moment lang dachte Maille daran, das Asafoetida für seine Küche mitzunehmen – die Möglichkeit indes, dass der Kerl seine schmutzigen Finger in dem Gewürz gehabt haben könnte, widerte ihn an. Also leerte er den Teufelsdreck über dem Schergen aus. Zu seinem Erstaunen fiel mit den gelben Körnern ein eng zusammengefalteter Zettel aus dem kleinen Döschen. Das dünne, blaue Papier war mit einem kyrillischen Alphabet bedruckt, wie man es in Schulheften findet – einige der Buchstaben waren mit einem Rotstift umringt. Darüber stand in Handschrift «Moskwa» geschrieben – und darunter entzifferte Maille einen Namen: «Anna Schukowa». Er fotografierte das Papier mit seinem Mobiltelefon und sandte es per E-Mail nach Port-Louis – vielleicht würde man in der «Abteilung» etwas mit dem Namen und dem Alphabet anfangen können.

Ende von Episode 2

First Publication: 1-2-2009

Modifications: 23-1-2011, 18-6-2011, 18-11-2011, 11-12-2011, 12-9-2014