Rinderbrühe ist ein wichtiger Bestandteil von vielen Rezepten. Es gibt sehr gute Konzentrate, einige mit langer Geschichte wie etwa Justus Liebigs Fleischextrakt oder das britische «Bovril». Und es gibt auch Brühwürfel oder Pulver und Granulate, die als Rinderbrühe verkauft werden. Sie enthalten allerdings in der Regel weniger als 1% Fleischextrakt und bestehen ansonsten hauptsächlich aus Salz, Würzmitteln, Hefeextrakt resp. Geschmacksverstärker, Zucker und Glucose, die mit Hilfe Pflanzefett gebunden werden. Mit kochendem Wasser übergossen werden auch sie zu geschmacklich erstaunlich feinen Suppen. Diese fast gänzlich fleischlosen Fleischbrühwürfel gehen auf Julius Maggi zurück, der 1907 erstmals Brühwürfel auf den Markt brachte, die statt Fleischextrakt eine Art Würzpaste aus denaturiertem Pflanzeneiweiss enthielten – und doch nach Fleisch schmeckten. Diese «Bouillon Kub», wie sie in Frankreich hiessen, waren deutlich billiger herzustellen als jene Würfel, welche die Liebig’s Extract of Meat Company seit den 1880er Jahren vertrieb und die aus Fleischextrakt und Rindertalg bestanden. Die meisten Rinderbrühen werden heute aus den billigen Brühwürfeln gemacht. Zum Vergleich: 1 Liter Brühe aus Liebigs Fleischextrakt kostet etwa CHF 2.50 – 1 Liter Brühe aus Maggi-Würfeln dagegen nur etwa CHF 0.50. Wesentlich teurer noch ist 1 Liter selbstgemachte Brühe – sie kostet wenigstens CHF 10. Ob die selbstgemachte Brühe auch am besten schmeckt, sei dahingestellt – man kann es sich jedenfalls auf vergnügliche Weise einbilden.
Es gibt ganz verschiedene Methoden, Rinderbrühe herzustellen: Man kann Rinderknochen, Beinscheiben, Querrippen oder auch vom Mark befreite Markknochen verwenden. Manche Köche, vor allem in Asien, kombinieren die Rinderknochen mit Schweineknochen. Eine Brühe gewinnt, wenn mit dem Fleisch ein wenig Gemüse gekocht wird – nicht zu viel jedoch, sonst dominiert es den Geschmack der Brühe. Es eignen sich Zwiebeln, Schalotten und Knoblauch, Karotten, Lauchgrün, Knollensellerie, Petersilienwurzel, Pastinaken etc. In Europa würzt man Rinderbrühe oft mit einem Bouquet garni, das klassischerweise aus Petersilie, Thymian und Lorbeer besteht. Ausserdem gibt man in der Regel ein paar angedrückte Pfefferkörner zu, manchmal Liebstöckel oder Bohnenkraut. Auch mit exotischen Gewürzen kann man spielen – wobei alles Konsequenzen hat. Mit Piment und Nelken oder auch einer Stange Zimt bekommt die Brühe ein ganz andere Note als ohne – eine Chilischote gibt ihr etwas Schärfe, ein Stückchen Ingwer verleiht ihr eine warmscharfe, exotische Tendenz.
Manchmal heisst es, je länger das Fleisch in einer Brühe ausgekocht werde, desto besser schmecke das Resultat. Und tatsächlich gibt es verschiedene Kochtraditionen, in denen Knochen und Fleisch sehr lange kochen müssen. Die vietnamesische Nationalbrühe Pho Bò etwa muss traditionell einen Tag und eine Nacht lang brodeln – und auch für den Jus der vor allem im Süden Japans so beliebten, herrlich milchigen Tonkotsu Ramen werden Schweineknochen 24 Stunden lang ausgekocht. Das hat sicher seinen Grund. Und doch ist es generell so, dass der Geschmack einer Brühe seinen Höhepunkt erreicht, wenn das Suppenfleisch ganz durchgegart und weich ist – was bei Rindfleisch etwa nach drei Stunden (oder etwas mehr) der Fall ist. Danach nimmt das Aroma der Brühe wieder ab.
Kochzeit gut 3 Stunden
Abkühlzeit 4 bis 6 Stunden
1 kg Suppenknochen vom Rind (in der Schweiz sind das meist Knochen aus der Rinderbrust)
500 g Markknochen vom Rind (Beinscheiben mit Mark) – ohne das Mark, das man herausdrücken und für die spätere Verwendung etwa in einem Risotto einfrieren kann
700 g Schwanzknochen vom Rind (Ochsenschwanz)
600 g mageres Siedfleisch (Suppenfleisch wird in der Schweiz meist aus der Brust geschnitten, mageres Siedfleisch entspricht etwa dem abgedeckten Federstück im deutschen Schnitt)
30 g Salz
2 grosse Zwiebeln, geputzt, mitsamt Schale
8 Zehen Knoblauch, mit Schale, leicht zerdrückt
1 Stück frischer Ingwer von derGrösse einer mächtigen Baumnuss (ca. 40 g), geputzt aber mit Schale, in groben Scheiben
1 kleiner Knollensellerie (von etwa 150 g),geputzt in groben Stücken
1 kleiner Lauch (von ca.100g), geputzt, in Rädchen
1 bis 2 Karotten (etwa 100 g), mit Schale, in groben Rädchen
1 Sträusschen glatte Petersilie (ca.40 bis 50 g), abgebraust und grob zerhackt (mitsamt Stängeln)
3 scharfe, rote Chilis (ganz)
1 EL schwarzer Pfeffer, grob zerstossen
Zu Beginn der Kochzeit riecht die Brühe recht stark nach Ingwer. Dieser Duft verliert sich allerdings etwa nach einer Stunde. Riecht eine Brühe zu stark nach Fleisch oder ist sie im Eisschrank etwas schal geworden, kann man sie mit einem Stück frischen Ingwer recht einfach revitalisieren.
Wenn wir nicht gerade ein vernünftiges Brühe-Rezept verfassen müssen, dann kochen wir die Brühe nach einem etwas anderen, sehr persönlichen Verfahren. Wir beginnen an einem späteren Abend und köcheln die Knochen gute zwei Stunden lang. Dann nehmen wir sie vom Feuer und lassen sie mit allen Zutaten (ausser vielleicht dem Siedfleisch) über Nacht ganz langsam auskühlen und dabei weiter ziehen. Am Morgen kochen wir sie noch einmal schnell auf, lassen sie ein paar Minuten köcheln, und seihen sie dann ab. Anschliessend lassen wir sie bis zum Abend stehen, damit wir das Fett abnehmen können. So kommen wir insgesamt auf eine ‹Kochzeit› von 24 Stunden.
First Publication: 2-5-2010
Modifications: 9-10-2011, 22-5-2015