Singapore (Singapore) Marina Bay, The Promontory (Karte)
Samstag, 19. Dezember 2015
Am Samstag schlägt in Singapur die grosse Stunde der Vereine, die sich dann gerne in den Strassen präsentieren. Heute habe ich einen Porsche-Club röcheln gehört, der vor einer Kreuzung auf grünes Licht wartete. Wenig später habe ich die altmodischen Abgase von Vespas aus den 50er Jahren gerochen, die junge Asiaten in Dolce-Vita-Mode durch die Strassen knattern liessen. Dann hat ein Elektro-Roller-Verband meinen Weg gekreuzt, gefolgt von einer Gruppe von Gehern in fluoreszierenden T-Shirts. All dies innerhalb weniger Minuten. Zuletzt bin ich auf acht junge Singapurer gestossen, die am Rande der Marina Bay unter Anleitung ihres deutlich älteren Coaches elektrische Drachen durch die Luft sausen liessen – nicht kreuz und quer natürlich, sondern streng choreographiert.
Wenn ich einen Drachen sehe, der an seiner Schnur zerrt, dann kommt mir dieses Ding immer wie ein Gedanke vor, den man aus seinem Erdenleben in andere Dimensionen entschweben lässt, aus dem Konkreten ins Abstrakte, aus dem Persönlichen in die Welt der grossen Ideen und Konzepte. In der konzentrierten Anstrengung des Drachen-Beherrschers, in seiner Freude und seinen Ängsten, spiegelt sich für mich auch die Strapaze an der Kante zwischen dem Erlebten und dem Systematischen, dem Eigenen und dem Allgemeinen, dem Gedachten und dem Gesagten. Vielleicht schafft es der Sportler ja, diesen Gedanken auch wieder zu sich zurück zu holen. Vielleicht jedoch reisst die Schnur und der Drache segelt davon. Vielleicht zerfetzt sich der Papiervogel auch im Wind, stürzt ab, zerschellt am Boden.
Was aber sind Drachen, die mit eigenem Antrieb und per Funk gesteuert durch die Lüfte geführt werden? Der Flug gewinnt ja so an Sicherheit im Wind, gleichzeitig aber verliert man die physische Verbindung zu seinem Vogel. Passiert Ähnliches nicht auch, wenn man sich einer bestimmten Denkrichtung anschliesst? Erst recht natürlich, wenn man in einer Staffel unterwegs ist?
First Publication: 23-1-2016
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