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Diese Marmorplatte war ursprünglich zwei Meter lang – nach meiner heutigen Sägerei ist davon nur noch ein 66 x 70 cm grosses Stück übrig, das jetzt auf dem Kühlschrank in meiner Zürcher Wohnung liegt. (Mittwoch, 2. September 2015)

96. Flasche

Leben mit der Marmorplatte

Cahors Château du Port Cuvée Prestige 2011

Von aussen unbewegt riecht der Wein nach Pflaume, Staub und Urin. Mit der Bewegung kommt eine säuerliche Schokoladenote dazu, ein bisschen angebrannter Plastik und wieder schweift die Nase an einem Pissoire vorbei. Im Mund ist der Cahors eher säuerlich und trocken, ziemlich adstringierend. Von innen ist die Pflaume eher Zwetschge, angerichtet neben einer Rinderniere.

Es scheint Zeit für Veränderungen. Heute habe ich meinen Marmortisch auseinander gesägt und eine kleine Arbeitsplatte daraus gemacht, die nun auf meinem Kühlschrank liegt. Die Platte habe ich vor knapp dreissig Jahren in Biel gekauft – zusammen mit dem Inventar einer ganzen Bäckerei. Sie war zwei Meter lang und diente mir in meinem illegalen Keller-Restaurant als Bar-Tresen. Später habe ich sie in meiner Basler Küche als Arbeitsplatte eingepasst – dafür musste ich ein Stück abschneiden lassen. Als ich vor einem Dutzend Jahren nach Zürich zog, habe ich nochmals ein Stück wegsägen lassen und die Platte dann als Küchentisch benutzt – in meiner letzten und meiner jetzigen Wohnung habe ich zahllose Gäste an ihr bewirtet. Nun ist sie nochmals weniger geworden – so wie das Leben, das noch vor mir liegt.

Wenn man eine Hose kauft oder ein Hemd, einen Stuhl oder eine Pfanne, dann hat man doch oft das Gefühl, das seien verhältnismässig provisorische Entscheidungen. Genauso war es auch als ich die Bäckerei in Biel erstand – es geschah aus einer Laune heraus, weil mir die alten Möbel gefielen und sie nicht viel gekostet haben. Dann aber teilt man doch lange Lebensabschnitte mit dem Material. Ich stelle mir meine Existenz aber eigentlich als etwas deutlich Grösseres vor als ein Stück Stein, als etwas, das auch einen ganz anderen Raum einnimmt in der Zeit – und doch lehrt mich mein Zusammenleben mit dieser Marmorplatte, dass dem nicht so ist, dass sie durchaus ein Bild meiner Tage auf Erden abgibt. Und so steht sie jetzt auch für ein Gefühl, das sich aufgelöst hat – jenes nämlich, noch Zeit zu haben, das ganze Leben noch vor sich zu spüren.

Das ist vielleicht mit ein Grund, warum die Platte wieder ein Stück lassen musste. Immerhin gibt es einen kleinen Unterschied: Früher habe ich schneiden lassen, heute habe ich das selbst in die Hand genommen. Dabei habe ich zwar meine Holz-Säge ruiniert – aber es zeigt doch, dass ich mir mehr zutrauen als auch schon.

Mit der Zeit wird die Frucht in dem Wein opulenter, reifer – das Urinparfum aber bleibt präsent. 

Getrunken am Mittwoch, 2. September 2015 in der Küche meiner Wohnung über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Gekauft bei «Coop » in Zürich (Fr. 12.95 im August 2015).

Nächste Flasche

Cahors Château du Port Cuvée Prestige

AOC, 2011, 12.5% Vol.

100% Cot

Rotwein aus dem Südwesten (Frankreich), produziert von Pelvillain Frères, Gaec de Circofoul in Albas (auf Karte anzeigen). Auf der Flasche steht: «Ce vin est issu d'une sélection de vielles vignes plantés en terrasses et côteaux». An der «Malbec International Competition France 2013» wurde der Wein als «Grand Malbec d'Argent» ausgezeichnet.

First Publication: 3-9-2015

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