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Habe ich wirklich heute früh noch zugesehen, wie sich die Boote dem Bund entlang durch das Wasser des Huangpu schieben? Ich kann nicht behaupten, dass ich diese Reise unternommen habe – eher schon ist sie mir passiert. (Sonntag, 30. August 2015)

95. Flasche

Hier-Dort-Hier

Von aussen unbewegt riecht der Wein nach einer Frucht, die einen Tag lang am Rand einer Strasse im Staub gelegen hat. Mit der Bewegung wird diese Frucht leicht angedrückt – es handelt sich um eine reife, jedoch leicht angterocknete Zwetschge. Daneben steht jetzt eine Kanne mit Schwarztee. Im Mund ist der Wein eher säuerlich, mittelschwer. Von innen riecht der Cahors nach einem erkalteten Zwetschgenkuchen, der Teig muss schon etwas aufgeweicht sein.

Visumsprobleme haben dazu geführt, dass ich nicht wie geplant zehn Tage in China bleiben konnte, sondern heute schon wieder zurückfliegen musste. Ich habe also bloss einen ganzen Tag in Shanghai verbracht. Ich habe es immer abgelehnt und vermieden, für so kurze Zeit nur an einen Ort zu reisen, der so weit entfernt ist. Denn ich brauche Zeit, um ein Gefühl für die fremde Gegend zu bekommen, um meinen Körper und meine Seele dieser anderen Realität anzuvertrauen, um Dinge hinein und hinaus zu lassen. Doch jetzt, da ich eine solche Ultrakurzreise unfreiwillig erlebe, kann ich dem ökologischen Irrsinn durchaus einen gewissen Reiz abgewinnen – vielleicht weil mir die Sache so unwirklich vorkommt. Denn es ist mir als sei ich gar nicht weg gewesen – und doch war ich eben noch am anderen Ende der Welt. Bin ich nur aus einem ungewöhnlich langen Traum erwacht – oder aus einer Ohnmacht? Bin ich in ein Bild geschlüpft – und jetzt hat mich die Kunst wieder ausgespuckt? Die Reise selbst, also das Hin und Her, ist schon verblasst – es bleibt also nur das völlig irreale Hier-Dort-Hier.

Die Staubige Note behauptet sich hartnäckig. Der Wein hat etwas Unfrisches, ohne direkt abgestanden zu wirken – gleichzeitig ist die Säure doch sehr präsent. Mit der Zeit kann man ein paar pfeffrige Aromen herauskauen, doch die spielen keine Rolle im Gesamtklang, sind seltsam unverbunden. Manchmal habe ich auch das Gefühl, meine Nase in einen alten Schuhkarton zu stecken – kein sehr freudvolles Erlebnis insgesamt.

Getrunken am Sonntag, 30. August 2015 in der Küche meiner Wohnung über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Geschenk, erhalten im Juni 2015.

Nächste Flasche

Cahors Cuvée de la Maison Grand Monteil

AOC, 2012, 13% Vol.

100% Cot

Rotwein aus dem Südwesten (Frankreich), produziert von Jean-Pierre Ichard in Puy-l’Evêque (auf Karte anzeigen). Vin biologique.

First Publication: 31-8-2015

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