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Mallorca (Spain) Península de Formentor
An der Nordostflanke des Fumat
Samstag, 28. Februar 2015

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Ich bin über einen aufgemauerten Pfad gewandert, der sich in einem endlosen Zickzack durch die gebirgige Landschaft der Halbinsel Formentor zieht. Auf diesem Camí Vell de Far gelangten die Menschen früher zu dem Leuchtturm am Nordkap von Mallorca – wahrscheinlich ritten sie meist auf Eseln oder Maultieren hin, so sanft wie der Weg angelegt ist. Während ich ging, bepackten meine Gedanken die Lasttiere der Wärter, sie luden Oliven und Käse auf, Brot und Würste, Tabak, viel Wein und wärmende Decken.

Nun mache ich Rast auf der Nordostflanke des Berges Fumat. Neben mir fällt der Felsen senkrecht zum Meer ab, das ich weit unten gegen das steinige Ufer schlagen höre. Vor mir krallt sich eine kleine Pinie an einem bröckeligen Felsen fest. Es gibt auffällig viele Pinien auf dieser Landzunge. Nur wenige sehen so schütter aus wie der kleine Bursche vor mir, aber natürlich sind sie alle gezeichnet von Wind und Wetter. Jeder Baum ist etwas anders geformt, denn jeder steht an seinem eigenen Ort. Diese Pinien haben den mallorquinischen Priester und Schriftsteller Miquel Costa i Llobera (1854-1922), dessen Familie in der Gegend Land besessen haben soll, zu einem Gedicht inspiriert, das als Inkunabel der katalanischen Romantik gilt. «Mein Herz liebt einen Baum! Älter als die Olive, stärker als die Eiche, grüner als der Orangenbaum bewahrt er in seinem Laub den ewigen Frühling. Und dabei kämpft er mit den Stürmen, die gegen die Küsten schlagen und den Boden knarren lassen. […] Gott gab ihm den schroffen Berg als Land und das endlose Meer als Brunnen. […] Baum, mein Herz beneidet dich. Über dieser unreinen Erde trage ich die Erinnerung an dich wie ein heiliges Versprechen. Ständig kämpfen und siegen, herrschen über die Höhe, sich nähren und leben von Himmel und reinem Licht. Oh Leben! Oh edles Schicksal!»

Ich mag dem Dichter wohl nicht bis in die letzten Winkel seiner Begeisterung folgen. Aber auch mein Herz beneidet diese kleine Pinie, die ihre Wurzeln vor mir in den bröckligen Felsen geschlagen hat. Ich beneide sie nicht um ihr Leben, aber um die Art, wie sie es führt – als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt und dies ihr einzig richtiger Ort.

Siehe auch

  • Ein Rezept zur Episoda: Llom amb col (Schweinsfilet und Wurst im Wirsingblatt, geschmort in einer Speck-Wurst-Wein-Sauce mit Rosinen, Mandeln und Pinienkernen)
  • Episoda – eine Sendung für Santa Lemusa (Einführung)
  • Biographie von Peter Polter

First Publication: 9-3-2015

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