Torte aus Mandeln, Zucker, Mehl, Zitronenabrieb und Gewürzen, mit Johannisbeerenkonfitüre – ein Rezept zu Peter Polters Episoda 141218 Linz Hauptplatz
Die Linzer Torte ist zweifellos die berühmteste Spezialität aus dem oberösterreichischen Linz und wird heute auf der haben Welt in zahllosen Varianten gebacken. Der hohe Mandel-Anteil und die Verwendung exotischer Gewürze deuten darauf hin, dass es sich bei der Linzer Torte wohl ursprünglich um eine Upperclass-Torte handelte. Ausführliche Informationen zur Geschichte dieser Spezialität finden sich in dem Artikel «Linzer Torte» von Ludwig Mann et al. auf der Webseite des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (www.bmlfuw.gv.at), wo die Torte als «eine klassische Vertreterin der barocken Backkunst» bezeichnet wird, deren Rezept vermutlich von den gedeckten Pasteten herrührt.
Das älteste handschriftlich überlieferte Rezept stammt aus dem Jahr 1653 – und gilt so als ältestes Torten-Rezept der Welt. Entdeckt wurde es 2005 von Waltraut Faissner, der Leiterin der Bibliotheken der oberösterreichischen Landesmuseen, und zwar im Kochbuch der aus Verona stammenden Gräfin Anna Margarita Sagramosa. Das Werk mit dem Titel «Buech von allerley Eingemachten Sachen, also Zuggerwerckh, Gewürtz, Khütten und sonsten allerhandt Obst wie auch andere guett und nützlich Ding etc.» enthält ganze vier Rezepte mit der Präzisierung «Linz» (das Buch wird heute im Stiftsarchiv Admont als Codex 35/31 aufbewahrt). Die Bibliothek der Oberösterreichischen Landesmuseen verfügt über eine reiche Sammlung von handgeschriebenen Kochbüchern mit zahllosen Rezepten für Linzer Torten aus der Zeit vor 1848. Auf ihrer Webseite präsentiert sie auch einiges zum Thema. Waltraut Faissner hat viele dieser Rezepte 2004 in ihrem Buch «Wie man die Linzer Dortten macht» wiedergegeben, das 2010 unter dem Titel «Linzerische Torten auf andere Art» neu aufgelegt wurde (Reihe Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich, Folge 25). Das erste gedruckte Rezept für eine Linzer Torte erschien 1718 im «Neuen Saltzburgischen Koch-Buch» von Conrad Hagger. Um 1800 erfuhr die Linzer Torte eine rasche Verbreitung – was Ludwig Mann et al. unter anderem auf die Erfindung des Rübenzuckers zurückführen, der Speisen mit viel Zucker auch für weitere Bevölkerungsschichten erschwinglich machte.
Ein Charakteristikum der Linzertorte ist neben den typischen Zutaten (Butter, Mandeln, Mehl, Zucker, Eier, Zitronenschale, Gewürze und Johannisbeerenkonfitüre) auch die Verzierung mit einem Gitter. Ludwig Mann et al. schreiben dazu in ihrem Artikel: «Durch die Gitterverzierung erscheint die darunterliegende Fülle als kleine Rauten, die seit jeher nicht nur als Verzierung dienten sondern auch symbolische Bedeutung besass. Das charakteristische Rautenmuster der Linzer Torte ist vermutlich aber aus praktischen Gründen entstanden, denn waren die aufgestrichenen Marmeladen oder Salsen (Fruchtmuse) zu feucht, riss die geschlossene Teigdecke durch den Dampf beim Backen auf und der Boden wurde speckig.»
Das Buch von Waltraut Faissner hat uns angeregt, ein historisches Rezept auszuprobieren. Wir haben uns für eine Handschrift des späteren 18. Jahrhunderts entschieden. Sie trägt den Titel «Koch-Buch, worinnen die Niedlichkeit der kostbahresten Tortten, Kräpfeln, Koch, Sulzen, und anderer delicatessen, wie nicht minder einige zur Würthschafft gehörige Anmerckungen zusammengetragen wurden zum Gebrauch der Jungfrau Josepha Fetzerin. Anno 1764 in Neustadt; Grätz 1766.» Das Rezept für die «Linzer Dortten» lautet so (fol 6 v, Rezept 26): «Nihm nicht gar ½ lb Butter, treib íhn schön sämig ab, schJag 2 ayer daran, verrühr jedes wohl, nimm 12 loth Zucker, rühre ihn in dem Butter: Nihm 3 ayer-Dotter. rühre einen nach dem andern hinein, item 12 loth gestossene Mandl,1/2 lb Mund-Mell,[…] gleber gewogen ist, von lemony die schäler. Von 3en den Saft, ein wenig Zimmeth, Nägl, Muscatnuss, streiche den halben Thei1 darauf, fülle etwas Eingemachtes darein, mache Staingl darauf und bache sie.»
Wir sind der Empfehlung von Faissner (S. 64) gefolgt und haben statt der drei Zitronen nur den Saft einer einzigen verwendet – die Herausgeberin schreibt dazu: «Mag sein, dass die Zitronen auf dem langen Handelsweg saftarm geworden waren, sodass mehrere gebraucht wurden, um ein gutes Ergebnis zu erzielen.» Auch mit nur einer Zitrone allerdings war das Resultat der Zusammenmischung aller Zutaten kein Teig, sondern eine dickliche Sauce, aus der sich unmöglich ein «Staingl» oder Gitter machen liess. Wir mussten also improvisieren und haben einen Teil des Teiges mit mehr Mandeln und Mehl aufgemischt – bis eine Masse entstand, die sich zu einem Gitter verarbeiten liess. Das Ergebnis war ein kräftiger Kuchen mit einem ländlichen Aussehen – was auch damit zusammenhing, dass wir darauf verzichtet hatten, die Stege mit Eigelb zu bestreichen.
Wir haben das Rezept in der Folge ein wenig modifiziert, vor allem Butter und Eier reduziert. Statt des Zitronensaftes geben wir nur ausgiebig Zitronenabrieb hinein. So entsteht ein etwas festerer Teig. Wie bei unserer ersten Torte aber vermengen wir einen Teil des Teiges mit etwas zusätzlichem Mehl, um ein Gitter daraus fertigen zu können.
Linzer Torte schmeckt nach zwei bis drei Tagen am besten und hält sich lange frisch.
Backzeit 50 Minuten
125 g Butter, in Stücken
125 g Zucker
1 Ei
125 g ungeschälte Mandeln, gemahlen
125 g Mehl
½ TL Zimtpulver
½ TL Gewürznelken, gemahlen
½ TL Muskatnuss, gerieben
Abrieb von zwei Zitronen
nochmals 40 bis 50 g Mehl für Rand und Gitter
170 g Johannisbeer-Konfitüre (auf keinen Fall ein Gelee)
ev. 1 Eigelb, mit ein paar Tropfen Wasser verquirlt
ev. 2 EL Mandelblättchen
Man kann die Johannisbeer-Konfitüre gut durch eine andere Marmelade ersetzen – wir haben zum Beispiel mit Orangen und Brombeeren feine Resultate erzielt, auch Feigen und Aprikosen passen. Man sollte indes der Versuchung widerstehen, die Torte mit einem Gelee zu bestreichen. Wir haben das zwei Mal versucht – mit verheerendem Ergebnis: das Gelee quillt im Ofen auf, schwappt über die Ränder und karbonisiert. Beide Male haben wir industriell hergestellte Gelees verwendet – gut möglich, dass das darin enthaltene Geliermittel die Aufblusterung bewirkte. Ob es mit hausgemachten Gelees besser geht, wissen wir nicht. Dummerweise wird Johannisbeer-Konfitüre in den Geschäften oft in Form von Gelees angeboten. Aber man ist ja mit hausgemachter Konfitüre sowieso besser bedient.
Für die Zubereitung der Torte in einer Springform mit 24 cm Durchmesser muss die Menge der Zutaten um etwa ein Viertel erhöht werden – also 160 g Butter, 160 g Zucker, 1 grosses Ei, 160 g ungeschälte Mandeln, 160 g Mehl, gut ½ TL Zimtpulver, gut ½ TL Gewürznelken, gut ½ TL Muskatnuss, Abrieb von zwei bis drei Zitronen, nochmals 60 g Mehl für Rand und Gitter, 210 g Johannisbeer-Konfitüre.
First Publication: 1-1-2015
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