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Die Linzer Dortten der Josepha Fetzerin hat einen herzhaften, würzigen und angenehm fruchtigen Geschmack – unser erster Versuch, sie herzustellen, erforderte allerdings einiges an Improvisation. (Paris, Dezember 2014)

Linzer Dortten der Jungfrau Josepha Fetzerin

Torte aus Mandeln, Zucker, Mehl, Zitronenabrieb und Gewürzen, mit Johannisbeerenkonfitüre – ein Rezept zu Peter Polters Episoda 141218 Linz Hauptplatz

Die Linzer Torte ist zweifellos die berühmteste Spezialität aus dem oberösterreichischen Linz und wird heute auf der haben Welt in zahllosen Varianten gebacken. Der hohe Mandel-Anteil und die Verwendung exotischer Gewürze deuten darauf hin, dass es sich bei der Linzer Torte wohl ursprünglich um eine Upperclass-Torte handelte. Ausführliche Informationen zur Geschichte dieser Spezialität finden sich in dem Artikel «Linzer Torte» von Ludwig Mann et al. auf der Webseite des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (www.bmlfuw.gv.at), wo die Torte als «eine klassische Vertreterin der barocken Backkunst» bezeichnet wird, deren Rezept vermutlich von den gedeckten Pasteten herrührt.

Das älteste handschriftlich überlieferte Rezept stammt aus dem Jahr 1653 – und gilt so als ältestes Torten-Rezept der Welt. Entdeckt wurde es 2005 von Waltraut Faissner, der Leiterin der Bibliotheken der oberösterreichischen Landesmuseen, und zwar im Kochbuch der aus Verona stammenden Gräfin Anna Margarita Sagramosa. Das Werk mit dem Titel «Buech von allerley Eingemachten Sachen, also Zuggerwerckh, Gewürtz, Khütten und sonsten allerhandt Obst wie auch andere guett und nützlich Ding etc.» enthält ganze vier Rezepte mit der Präzisierung «Linz» (das Buch wird heute im Stiftsarchiv Admont als Codex 35/31 aufbewahrt). Die Bibliothek der Oberösterreichischen Landesmuseen verfügt über eine reiche Sammlung von handgeschriebenen Kochbüchern mit zahllosen Rezepten für Linzer Torten aus der Zeit vor 1848. Auf ihrer Webseite präsentiert sie auch einiges zum Thema. Waltraut Faissner hat viele dieser Rezepte 2004 in ihrem Buch «Wie man die Linzer Dortten macht» wiedergegeben, das 2010 unter dem Titel «Linzerische Torten auf andere Art» neu aufgelegt wurde (Reihe Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich, Folge 25). Das erste gedruckte Rezept für eine Linzer Torte erschien 1718 im «Neuen Saltzburgischen Koch-Buch» von Conrad Hagger. Um 1800 erfuhr die Linzer Torte eine rasche Verbreitung – was Ludwig Mann et al. unter anderem auf die Erfindung des Rübenzuckers zurückführen, der Speisen mit viel Zucker auch für weitere Bevölkerungsschichten erschwinglich machte.

Ein Charakteristikum der Linzertorte ist neben den typischen Zutaten (Butter, Mandeln, Mehl, Zucker, Eier, Zitronenschale, Gewürze und Johannisbeerenkonfitüre) auch die Verzierung mit einem Gitter. Ludwig Mann et al. schreiben dazu in ihrem Artikel: «Durch die Gitterverzierung erscheint die darunterliegende Fülle als kleine Rauten, die seit jeher nicht nur als Verzierung dienten sondern auch symbolische Bedeutung besass. Das charakteristische Rautenmuster der Linzer Torte ist vermutlich aber aus praktischen Gründen entstanden, denn waren die aufgestrichenen Marmeladen oder Salsen (Fruchtmuse) zu feucht, riss die geschlossene Teigdecke durch den Dampf beim Backen auf und der Boden wurde speckig.»

Das Buch von Waltraut Faissner hat uns angeregt, ein historisches Rezept auszuprobieren. Wir haben uns für eine Handschrift des späteren 18. Jahrhunderts entschieden. Sie trägt den Titel «Koch-Buch, worinnen die Niedlichkeit der kostbahresten Tortten, Kräpfeln, Koch, Sulzen, und anderer delicatessen, wie nicht minder einige zur Würthschafft gehörige Anmerckungen zusammengetragen wurden zum Gebrauch der Jungfrau Josepha Fetzerin. Anno 1764 in Neustadt; Grätz 1766.» Das Rezept für die «Linzer Dortten» lautet so (fol 6 v, Rezept 26): «Nihm nicht gar ½ lb Butter, treib íhn schön sämig ab, schJag 2 ayer daran, verrühr jedes wohl, nimm 12 loth Zucker, rühre ihn in dem Butter: Nihm 3 ayer-Dotter. rühre einen nach dem andern hinein, item 12 loth gestossene Mandl,1/2 lb Mund-Mell,[…] gleber gewogen ist, von lemony die schäler. Von 3en den Saft, ein wenig Zimmeth, Nägl, Muscatnuss, streiche den halben Thei1 darauf, fülle etwas Eingemachtes darein, mache Staingl darauf und bache sie.»

Wir sind der Empfehlung von Faissner (S. 64) gefolgt und haben statt der drei Zitronen nur den Saft einer einzigen verwendet – die Herausgeberin schreibt dazu: «Mag sein, dass die Zitronen auf dem langen Handelsweg saftarm geworden waren, sodass mehrere gebraucht wurden, um ein gutes Ergebnis zu erzielen.» Auch mit nur einer Zitrone allerdings war das Resultat der Zusammenmischung aller Zutaten kein Teig, sondern eine dickliche Sauce, aus der sich unmöglich ein «Staingl» oder Gitter machen liess. Wir mussten also improvisieren und haben einen Teil des Teiges mit mehr Mandeln und Mehl aufgemischt – bis eine Masse entstand, die sich zu einem Gitter verarbeiten liess. Das Ergebnis war ein kräftiger Kuchen mit einem ländlichen Aussehen – was auch damit zusammenhing, dass wir darauf verzichtet hatten, die Stege mit Eigelb zu bestreichen.

Wir haben das Rezept in der Folge ein wenig modifiziert, vor allem Butter und Eier reduziert. Statt des Zitronensaftes geben wir nur ausgiebig Zitronenabrieb hinein. So entsteht ein etwas festerer Teig. Wie bei unserer ersten Torte aber vermengen wir einen Teil des Teiges mit etwas zusätzlichem Mehl, um ein Gitter daraus fertigen zu können.

Linzer Torte schmeckt nach zwei bis drei Tagen am besten und hält sich lange frisch.

Backzeit 50 Minuten

Zutaten (für eine Backform mit einem Durchmesser von 20 cm)

125 g Butter, in Stücken

125 g Zucker

1 Ei

125 g ungeschälte Mandeln, gemahlen

125 g Mehl

½ TL Zimtpulver

½ TL Gewürznelken, gemahlen

½ TL Muskatnuss, gerieben

Abrieb von zwei Zitronen

nochmals 40 bis 50 g Mehl für Rand und Gitter

170 g Johannisbeer-Konfitüre (auf keinen Fall ein Gelee)

ev. 1 Eigelb, mit ein paar Tropfen Wasser verquirlt

ev. 2 EL Mandelblättchen

Zubereitung

  1. Die Butter mit einer Teigkelle an leichter Wärme (zum Beispiel über einem Wasserbad oder vor einem Ofen) weich rühren. Zucker und Ei beigeben, rühren bis sich der Zucker aufgelöst hat und die Masse homogen wirkt (ca. 5 Minuten).
  2. Mandeln, Mehl, Zimt, Muskatnuss und Zitronenabrieb beigeben und mit einem Spachtel gut verrühren.
  3. Den Boden einer kleinen Springform (Durchmesser 20 cm) mit Backtrennpapier bespannen, die Wand mit etwas Butter einschmieren.
  4. Knapp zwei Drittel der Masse regelmässig auf dem Boden der Form ausstreichen (ca. 1 cm dick). Den Rest mit den weiteren 50 g Mehl (je nach Weichheit der Masse braucht es auch ein bisschen mehr) zu einem etwas festeren Teig verkneten. Etwa die Hälfte dieses Teiges zu einer 60 cm langen Wurst ausrollen und diese so auf den ausgestrichenen Teig legen, dass ein Rand entsteht. Rand mit einer Gabel in Form bringen.
    Da der Teig sehr brüchig ist, wird er sich kaum an einem Stück verlegen lassen. Die Bruchstellen kann man einfach mit einem befeuchteten Finger glatt streichen oder mit der Gabel reparieren.
  5. Die Konfitüre auf der Oberfläche des Teigs in der Form verteilen.
  6. Den restlichen Teig zu einem Kreis von knapp 20 cm Durchmesser aurollen und in etwa 2 cm breite Streifen schneiden. Mit diesen Streifen ein Gitter über die Konfitüre legen. Das Gitter, wo es auf dem Rand aufliegt, mit einer Gabel etwas in den Rand drücken.
    Auch das ist etwas knifflig, da der Teig nur schlecht zusammenhält. Mit etwas Geduld bekommt man es aber passabel hin. Wer keine Geduld hat, kann auch Herzchen etc. aus dem Teig stechen und die Konfitüre damit belegen.
    Ev. kann man Rand und Gitter mit einem Eigelb bestreichen und dann Mandelblättchen auf das Gitter streuen. Mit den Mandelblättchen lassen sich die Flickstellen in dem Gitter wunderbar kaschieren.
  7. In der Mitte des auf 170º bis 175º vorgeheizten Ofens während etwa 50 Minuten backen.

Man kann die Johannisbeer-Konfitüre gut durch eine andere Marmelade ersetzen – wir haben zum Beispiel mit Orangen und Brombeeren feine Resultate erzielt, auch Feigen und Aprikosen passen. Man sollte indes der Versuchung widerstehen, die Torte mit einem Gelee zu bestreichen. Wir haben das zwei Mal versucht – mit verheerendem Ergebnis: das Gelee quillt im Ofen auf, schwappt über die Ränder und karbonisiert. Beide Male haben wir industriell hergestellte Gelees verwendet – gut möglich, dass das darin enthaltene Geliermittel die Aufblusterung bewirkte. Ob es mit hausgemachten Gelees besser geht, wissen wir nicht. Dummerweise wird Johannisbeer-Konfitüre in den Geschäften oft in Form von Gelees angeboten. Aber man ist ja mit hausgemachter Konfitüre sowieso besser bedient.

Für die Zubereitung der Torte in einer Springform mit 24 cm Durchmesser muss die Menge der Zutaten um etwa ein Viertel erhöht werden – also 160 g Butter, 160 g Zucker, 1 grosses Ei, 160 g ungeschälte Mandeln, 160 g Mehl, gut ½ TL Zimtpulver, gut ½ TL Gewürznelken, gut ½ TL Muskatnuss, Abrieb von zwei bis drei Zitronen, nochmals 60 g Mehl für Rand und Gitter, 210 g Johannisbeer-Konfitüre.

Der kniffligste Teil beim Herstellen der Linzer Torte ist die Fertigung eines Gitters aus dem brüchigen Teig: Torte vor dem Ofengang.
Mit Hilfe einer Gabel kann man den Rand ein wenig formen, ehe man die Konfitüre dazu gibt.
Für die Herstellung des Gitters rollt man den Teig zunächst aus und schneidet ihn dann in etwa 2 c, breite Riemen. (Zürich, Januar 2015)
Das Formen des Gitters mit dem brüchigen Teig ist etwas knifflig – es geschieht durch vor- und zurückschlagen einzelner Teigbahnen. In professionellen Backstuben verwendet man hierfür spezielle Gitterstanzen.
Bei diesem Exemplar haben wir auf das knifflige Formen des Gitters verzichtet und die Teigriemen einfach so übereinander gelegt – was tatsächlich etwas ungelenk aussieht. Ausserdem haben wir den Teigboden hier hälftig mit Brombeerkonfitüre und mit Orangenmarmelade bestrichen – beides valable Alternativen zum Originalrezept mit Johannisbeeren. (Zürich, Januar 2015)
Hier haben wir die Stege des Gitters mit Ei bestrichen und mit Mandelblättchen belegt, was der Torte ein etwas eleganteres Aussehen gibt – allerdings sieht man das Gittermuster dafür nicht mehr so klar. (Paris, Dezember 2014)
Titelblatt des Kochbuchs von Josepha Fetzerin. (Manuskript 349 in den Bibliotheken der oberösterreichischen Landesmuseen)
Die Linzer Torte aus der Konditorei von Leo Jindrak gilt vielen Einwohnern heute als die beste der Stadt. (Dezember 2014)
Die Torte von Jindrak ist mit dem typischen Gitter bedeckt, dessen Öffnungen kleine Ruten bilden – sie sollen auch symbolische Bedeutung gehabt haben.
Seit der Biedermeierzeit (1815-1848) wird die Linzer Torte in alle möglichen Länder verschickt – oft in solchen Schachteln. Zwei Exemplare aus dem frühen 20. Jahrhundert in der Ausstellung «Kunst Genuss Essen» im Nordico Stadtmuseum von Linz. (Dezember 2014)
Die Etiketten von zwei besonders hübsche Schachteln für Linzer Torte aus dem frühen 20. Jahrhundert – in der Ausstellung «Kunst Genuss Essen» im Nordico Stadtmuseum von Linz. (Dezember 2014)
Ein «Küchenstück mit Linzer Torte», von einem unbekannten Meister um 1650 mit Ölfarbe auf Leinwand gesetzt. Das Bild aus der Privatsammlung von Alain Kurz in Basel gehörte zu den Prunkstücken der Ausstellung «Kunst Genuss Essen» im Nordico Stadtmuseum von Linz. (Dezember 2014)

First Publication: 1-1-2015

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