Wenn es irgendwo nach Weltkante, nach Finis Terrae riecht, dann überkommt mich stets der eigentümliche Drang, tatsächlich so lange weiter zu gehen, bis ich das letzte Haus hinter mir gelassen habe und der Weg unter meinen Füssen erst schlechter wird und dann plötzlich ganz aufhört – vielleicht an einer Klippe oder an einem Waldrand, vielleicht aber auch mitten auf einem Feld. Gelegentlich endet die Welt der Wege an einem prächtigen Aussichtspunkt, wo nur noch der Blick weiterwandern kann – und dieser Blick ist ja bekanntlich mutiger, tüchtiger und auch sehnsüchtiger, wenn der Körper ihm nicht folgen muss. Weit öfter allerdings endet der Weg vor einem Müllberg, vor der Barriere einer stinkenden Industrieruine oder an einem Ort ohne Eigenschaften. Deshalb frage ich mich, warum ich diese Enden trotzdem immer wieder suche.
Vielleicht will ich mich versichern, dass die Welt der Strassen und Wege auch tatsächlich Grenzen hat – und nicht hinter jeder Biegung schon wieder die nächste wartet. Vielleicht geht es mir aber auch darum, einen Weg zu Ende gegangen zu sein – wenigstens an einer dieser Weltkanten nichts ausgelassen, nichts verpasst zu haben. So dachte ich früher. In jüngster Zeit allerdings hege ich den Verdacht, dass ich gar nicht nach einem Ende suche – sondern nach einem Ort, von dem aus ich beginnen kann. Weltkanten sind auf jeden Fall gute Ausgangspunkte, denn sie halten einem den Rücken frei.
First Publication: 26-8-2014
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