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Ob sich al-Baghdadi seine Mishmishiya so vorgestellt hat? Wir können uns auf jeden Fall gut vorstellen, dass man im abasidischen Bagdad seine Gäste mit einem solchen Schmorfleisch verwöhnt haben könnte. (Juli 2014)

Mishmishiya

Lamm-Schmorfleisch mit Aprikosen, Gewürzen, Mandeln und Rosenwasser

Es gibt wohl kaum ein Gericht, das die kulinarischen Verführungen des Orients sosehr verkörpert wie Lammfleisch mit getrockneten Aprikosen – wobei nahezu alle Küchen im Triangel zwischen Marokko, Kasachstan und Nordindien ihre jeweils eigenen Rezepte kennen. In seinem Buch «Die Lust und ihr Preis» (S. 90) schreibt John Lanchester: «Lamm und Aprikosen gehören zu jenen Kombinationen, deren Beziehung nicht lediglich komplementärer Natur ist, sondern von einer höheren Schicksalhaftigkeit zu künden scheint – von einem Geschmack, den nur Gott erfunden haben kamt.» Wir stellen auf diesen Seiten bereits ein indisch geprägtes Rezept für Lamm mit Aprikosen vor – es handelt sich dabei sogar um eines der ersten HOIO-Rezepte überhaupt.

Das hier präsentierte Gericht aber schmeckt ganz anders und hat seinen Ursprung in Bagdad. 1226 verfasste Muhammad bin Hasan al-Baghdadi ein «Buch der Speisen», in dem sich auch eine Anleitung für die Zubereitung von Mishmishiya findet. Sie lautet wie folgt: «Cut fat meat small, put into the saucepan with a little salt, and cover with water. Boil and remove the scum. Cut up onions, wash, and throw in on top of the meat. Add seasonings, coriander, cumin, mastic, cinnamon, pepper and ginger, well ground. Take dry apricots, soak in hot water, then wash and put in a separate saucepan, and boil lightly: take out, wipe in the hands, and strain through a sieve. Take the juice, and add it to the saucepan to form a broth. Take sweet almonds, grind fine, moisten with a little apricot juice and throw in. Some color with a trifle of saffron. Spray the saucepan with a little rose water, wipe its sides with a clean rag, and leave to settle over the fire: then remove.»

All diese Zutaten müssen damals auf den Märkten Bagdads zur Verfügung gestanden haben und stammten wohl aus den verschiedensten Regionen des Abbasidischen Kalifats. Der Name des Gerichts leitet sich vom arabischen Wort für Aprikose ab: Mishmish. Wir haben uns möglichst eng an die Vorgaben von al-Baghdadi gehalten. Wir verwenden keine weiteren Zutaten – und lassen auch nur eine aus: Mastix. Zwar schweigt sich der Autor über die Mengenverhältnisse aus – aber die Beschreibung lässt doch einige Rückschlüsse zu. So ist zum Beispiel klar, dass das Fleisch nicht geschmort wird, sondern gekocht – daraus ergibt sich wiederum, dass das Resultat sehr reich an Sauce ist. Unsere Mishmishiya schmeckt nicht allzu süss, parfümiert und lieblich – das Fleisch ist natürlich butterzart. Wir servieren das Lamm mit Fladenbrot.

Einweichzeiten 60 und 10 Minuten
Kochzeit 100 Minuten

Zutaten (für 4 bis 6 Personen)

250 g getrocknete Aprikosen (eher säuerliche als allzu süsse)

3 EL Korianderfrüchte

2 TL Kreuzkümmel

Zimtstange (10 g)

1½  EL Schwarzer Pfeffer

2 TL getrockneter und gemahlener Ingwer

4 Lammhaxen in jeweils zwei Stücken (etwa 1.8 kg)

2 bis 3 TL Salz

3 EL Olivenöl

Zwiebeln (250 g), fein gehackt

Salz zum Abschmecken

40 g gehobelte Mandeln 

400 mg Safranfäden, 10 Minuten in etwas warmem Wasser eingeweicht

1 EL Rosenwasser

Zubereitung

  1. 1 Liter Wasser zum kochen bringen und die Aprikosen damit übergiessen, 1 Stunde ziehen lassen. Früchte abgiessen und dabei das Einweichwasser auffangen. Die Aprikosen zusammen mit 2 bis 3 dl des Einweichwassers mit Hilfe eines Stabmixers pürieren.
    Hier übersetzen wir al-Baghdadis Methode für die Möglichkeiten einer modernen Küchenausrüstung.
  2. Korianderfrüchte, Kreuzkümmel, Zimtstange und Pfeffer am besten in einer elektrischen Kaffeemühle zu einem feinen Pulver zermahlen, Ingwer untermischen.
  3. Lammhaxen salzen.
    Unklar ist, was für eine Art von Fleisch al-Baghdadi meint wenn er «fettiges Fleisch» schreibt – welches Stück, mit oder ohne Knochen? Da Fleisch am Knochen einfach besser schmeckt, haben wir uns für Lammhaxe entschieden. Ebenso unbestimmt ist, was der Autor mit «klein schneiden» meint – es hängt etwa davon ab, von was für einem Ursprungsstück man ausgeht (einer ganzen Lammhaxe zum Beispiel oder bloss einem Nierstückchen). Aus geschmacklichen Gründen bereiten wir das Gericht lieber mit nicht allzu kleinen Stücken zu.
  4. Öl in einem grossen und schweren Topf erwärmen. Die Lammhaxen darin (ev. portionenweise) anbraten bis sie allseits eine leicht bräunliche Farbe angenommen haben.
    In diesem Punkt weichen wir ein wenig von al-Baghdadi ab, der sein Fleisch offenbar nicht anbrät – aber wir finden, dass ein paar Röstaromen dem Gericht durchaus gut tun.
  5. Zwiebeln untermischen und kurz anziehen lassen bis sie leicht glasig sind und etwas Farbe angenommen haben. 1.5 Liter Wasser angiessen (ev. auch mehr, das Fleisch sollte jedenfalls ganz bedeckt sein). Gewürze beigeben, aufkochen lassen, Hitze reduzieren und 1 Stunde lang offen simmern lassen. Gelegentlich wenden.
    Nach einer Stunde sollte etwa ein Drittel bis die Hälfte der Flüssigkeit verdampft sein.
  6. Aprikosenpüree zugiessen und alles gut vermischen.
    Bis zu diesem Punkt kann man das Gericht gut einige Zeit vor dem Essen vorbereiten und den Topf abkühlen lassen. Wenn man die Hitze stoppt gart das Lamm allerdings sanft weiter – und muss vor dem Essen im Grund dann nur noch erwärmt werden.
  7. Deckel aufsetzen und nochmals 30 Minuten lang köcheln lassen.
    Wenn man die Zubereitung, wie oben erwähnt, unterbrochen hat, dann muss man das Fleisch nun nur noch erwärmen.
  8. Mit Salz abschmecken. Mandeln, Safran und Rosenwasser beigeben. Hitze stoppen. 10 Minuten zugedeckt ruhen lassen.
Wir bereiten Mishmishiya mit Lammhaxe zu weil uns Fleisch am Knochen besonders gut schmeckt – und die Knochen ausserdem auch das Aroma der Sauce bereichern. Damit die Haxen besser in den Topf passen lassen wir sie vom Metzger einmal quer halbieren. (Juli 2014)
Bei der Mishmishiya schwimmt das Fleisch in sehr viel duftender und relativ dicker Sauce.
Mishmishiya ist ein ideales Gericht für einen Abend mit Freunden - auch weil es sich sehr gut vorbereiten lässt. Ja aufgewärmt schmeckt das Fleisch sogar noch besser.

First Publication: 9-7-2014

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