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Die Bucht der Sacula nördlich von Sentores. Rechts die Mündung des Flüsschens Sacula, dessen Name an die Indianer erinnern soll, die einst hier lebten. Im Hintergrund das Profil des Gran Douvantèt, wie die Anwohner diesen Hügelzug nennen.

Baie des Lambis

Bezirk: Centre Sud (Vorwahl: 05) – Karte
Einwohner: 169 (im ganzen Gebiet, Mai 2011)
Kurzbeschreibung: In der Kultur der Sacula, die in der Baie des Lambis zahlreiche Spuren hinterlassen haben, spielte die Riesenflügelschnecke Ouataboui eine zentrale Rolle.
Spezialitäten: –

An einem Flussdelta, das wenige Kilometer nördlich von Sentores liegt, lebten noch bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein die Sacula – ein Volksstamm, der wohl einst aus einer Splittergruppe von Arawak-Indianern entstand (1). Obwohl die Sacula heute als autonome Gruppe nicht mehr existieren, hat ihre Kultur in der Region allerlei Spuren hinterlassen. Auch prahlt mancher Fischer auf Santa Lemusa damit, dass in seinen Adern immer noch das Blut der Sacula fliesse – sagt man diesen Indianern doch nach, sie seien besonders raffinierte Fischer und ausgezeichnete Seeleute gewesen. – Wie die Sacula zu einem solchen Ruf gekommen sind, wissen wir nicht – historisch gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass die Sacula mit besonderem Geschick zur See gefahren wären. Weit wichtiger als der Fischfang war für sie nämlich das Sammeln von Muscheln. Muscheln waren aber nicht nur das Hauptnahrungsmittel der Sacula, sie spielten auch sonst ein zentrale Rolle in der Kultur dieser Indianer.

Ouataboui, die Riesenflügelschnecke

Die Sacula haben die verschiedensten Sorten von Muscheln gesammelt, eine ganz besondere Stellung aber nahm die karibische Riesenflügelschnecke, Strombus gigas (2) ein, die sie in ihrer Sprache Ouataboui nannten. Die Ouataboui, die heute auf der Insel Lambi oder Lambis genannt werden, galten diesen Indianern nicht nur als Delikatesse, sie hatten auch bei religiösen Riten aller Art eine wichtige Bedeutung (3). Der Arzt Lucien Blagbelle (1803-1903), der in der Mitte des 19. Jahrhunderts die kulinarischen Angewohnheiten der Sacula untersuchte, zählte 1854 insgesamt 186 Männer, Frauen und Kinder zu dem Stamm. Blagbelle verdanken wir die meisten Informationen über die Kultur der Sacula - seine Schriften sind allerdings leider auch die letzten einigermassen gesicherten Informationen, die wir über diesen Volksstamm haben (4).

Frauensache

Laut Blagbelle waren es hauptsächlich die Frauen der Sacula, die Ouataboui sammelten. «Es ist unglaublich, mit welchem Geschick diese Frauen nach der grossen Muschel tauchen», schreibt Blagbelle: «Ausgerüstet mit einem kurzen Stab, der sie gegen angreifende Fische schützen soll, springen sie von ihren kleinen Booten aus ins Wasser und tauchen viele Meter tief. Dabei bewegen sie sich als wären sie im Meer geboren und halten den Atem länger an als alle Taucher von Gwosgout. Selten habe ich eine gesehen, die nicht schon nach dem zweiten oder dritten Tauchgang die erste Lambis in ihr Boot hätte wuchten können.» (5)

Eine Sacula-Frau nach erfolgreicher Jagd auf Ouataboui, gezeichnet und aquarelliert um 1854 wahrscheinlich von Lucien Blagbelle. Im Hintergrund die Bucht der Sacula. (Bild Bibliothèque et Archives Nationales, Santa Lemusa)

Eine aquarellierte Zeichnung, die mit grösster Wahrscheinlichkeit ebenfalls von Blagbelle stammt, scheint eine junge Frau nach der erfolgreichen Jagd auf Ouataboui zu zeigen (6). Bis auf einen Lendenschurz unbekleidet steht sie da und stemmt mit der Linken stolz eine Riesenflügelschnecke in die Höhe. In der rechten Hand hält sie einen schmalen Stab. Während Blagbelle die Figur nur sehr summarisch wiedergegeben hat, sind die Schnecke sowie der Lendenschurz der Frau mit erheblich grösserer Sorgfalt gezeichnet. Vielleicht hat das nur damit zu tun, dass die Darstellung unfertig ist, was sich nicht ausschliessen lässt. – In dem Umstand aber, dass der Arzt für die Schnecke und den Lendenschurz dieselben Farben verwendet hat, könnte man auch eine Andeutung sehen: Die aphrodisierende Wirkung von Strombus gigas ist in der ganzen Karibik bekannt - und bei Lucien Blagbelle heisst es an einer Stelle mit der für ihn so typischen Zurückhaltung: «Ich vermute, dass sich die Frauen dem Sammeln dieser wundersamen Muschel verschrieben haben, um selbst Herrinnen über die Aufregung ihrer Nächte zu sein.» Dass Blagbelle mit der Wahl der Farben bewusst auf die aphrodisierende Wirkung der Riesenflügelschnecke anspielen wollte, lässt sich zwar nicht beweisen. Ein Traum jedoch, der uns als Notiz überliefert ist, legt zumindest den Schluss nahe, dass der Arzt für die erotischen Aspekte seines Untersuchungsgegenstandes nicht gänzlich unsensibel war («Eine kleine Mundmusik»).

Grosse Stirn

Der fragmentarische Zustand von Blagbelles Notizen über die Sacula erlaubt es nicht immer, die einzelnen Blätter zweifelsfrei einzuordnen. Im Fall des erwähnten Aquarells aber hat Michel Babye sehr überzeugende Argumente dafür beigebracht, dass es sich tatsächlich um eine Szene aus dem betreffenden Zusammenhang handelt: Auf dem Aquarell ist rechts hinter der Frau ein Hügelzug zu sehen, in dem man mit etwas Fantasie das Profil eines Gesichts mit einer stark hervortretenden Stirn erkennen kann. Einen solchen Hügel sieht man tatsächlich auch von der Bucht aus, wo einst das Dorf der Sacula lag. Die Leute, die heute in dieser Gegend wohnen, nennen den Berg Gran Douvantèt, Grosse Stirn (Vergleiche «Cahiers du Musée historique de Santa Lemusa», 1989, Heft 2).

Zubereitung von Lambis

Die Frauen waren nicht nur für das Sammeln der Ouataboui zuständig, sondern auch für die Zubereitung des grossen Tiers. Blagbelle: «Natürlich zerschlagen sie die Muschel nicht, wie das so manche Barbaren tun, die ihren Mangel an Kultur unter hohen Kochmützen zu verstecken suchen. Ouataboui darf man nicht erlegen wie einen Fisch, sagen sie, Ouataboui muss sich ergeben - und das braucht Zeit, viel Zeit. Haben die Sacula eine dieser riesigen Flügelschnecken gefangen, so binden sie diese mit dem Operculum, welches das Innere der Muschel schützt, an einem Ast fest und lassen das Tier dann in der Luft baumeln. Zentimeter um Zentimeter streckt sich der mächtige Muskel so, vom Gewicht der eigenen Behausung nach unten gezogen. Bis das ganze Tier sich ergeben hat, kann es Stunden, manchmal Tage dauern. Der Prozess mag aufwendig erscheinen, das gastronomische Ergebnis aber gibt den Sacula recht: Wird die mächtige Schnecke von unseren Köchen zubereitet, ist sie oft unerträglich hart, bei diesen Indianern aber liefert sie das köstlichste Fleisch der Welt.»

Mit einem Eisenhammer

Leider erfahren wir aus den Notizen von Blagbelle nicht, welche weiteren Massnahmen die Sacula ergriffen haben, um die Riesenflügelschnecke weich zu bekommen. Heute besteht die gängigste Methode darin, den Muskel etwa mit Hilfe eines Eisenhammers wie ein Stück Rindfleisch weich zu klopfen. Wir wissen allerdings aus verschiedenen Quellen, dass die Indianer der Karibik noch andere Methoden kannten, den zähen Muskel bekömmlich zu machen. So berichtet etwa Jean-Baptiste Du Tertre: «Die Wilden lassen das Lambi-Fleisch in Maniok-Wasser kochen, um es weich zu bekommen und essen recht oft davon» («L'Inventaire: Guadeloupe», S. 249).

Du Tertre selbst allerdings hat wohl eher schlechte Erfahrungen mit Lambis gemacht, schreibt er doch an anderer Stelle: «Ihr Fleisch ist so hart, dass man es selbst mit der besten Sauce nur essen wird, wenn man ziemlich ausgehungert ist.»

Ein wahrer Genuss

Auch der Dominikaner-Pater Jean-Baptiste Labat, der die Karibik rund fünfzig Jahre nach Du Tertre bereist, äussert sich zu Strombus gigas – sein Urteil fällt indes erheblich milder aus: Richtig zubereitet und mit Kräutern und Gewürzen verfeinert sei das Weichtier ein wahrer Genuss, versichert er. Labat erwähnt ausserdem, dass manche Antillen-Bewohner den Lambi mit einer sogenannten «Pi mentade» servieren – einer ausserordentlich schar fen Sauce. Und der Pater weiss auch von einem wahren Ouataboui-Fan mit Namen Maurecourt zu berichten, einem «habitant du Petit Cul-de-Sac des Gallions», der Lambi für «das wunderbarste Fleisch und das beste Nahrungsmittel der Welt hielt» («L'Inventaire: Guadeloupe», S. 249).

Unterschiedlichste Verwendungen

Die Riesenflügelschnecke war nach Blagbelle das «absolut wichtigste» Nahrungsmittel der Sacula. Wie erwähnt nahm Strombus gigas aber auch sonst eine zentrale Rolle in der Kultur dieser Indianer ein. An einer Stelle wundert sich der Arzt: «Es ist erstaunlich, für welch unterschiedliche Zwecke sich die Sacula dieser mächtigen Schnecke bedienen – offensichtlich ganz ohne sich dabei an den Widersprüchen zu stossen, die sich zwischen einzelnen Funktionen ergeben.» - Später im Text dann lässt sich Blagbelle über einige dieser «Zwecke» aus: «Mit Hilfe von Feuer gewinnen die Männer aus der Muschel ein helles Pulver, das mit Flusssand gemischt einen überaus stabilen Zement ergibt. Aus derselben Muschel fertigen sie aber auch Angelhaken, Harpunenspitzen und Werkzeuge wie Messer oder Meissel an, mit denen sie Holz oder Leder bearbeiten können. Sogar Schmuckstücke werden aus der Strombus gigas gefertigt, die Männer wie Frauen zieren.» (7)

Die Anatomie von Strombus gigas. Zeichnung aus den Notizen von Lucien Blagbelle, um 1854. (Bild Bibliothèque et Archives Nationales, Santa Lemusa)

Tatsächlich scheinen die Sacula einen mal archaisch-primitiven, mal überaus raffinierten Gebrauch von Lambi gemacht zu haben. So berichtet Blagbelle einerseits, dass die Indianer das Gehäuse der Strombus gigas wie einen Hammer nutzten, um damit zum Beispiel Austern vom Felsen zu schlagen oder Nahrungsmittel wie Nüsse oder Wurzeln zu zerkleinern. Andererseits hören wir von einem Künstler namens Ra, der aus dem Gehäuse der Riesenflügelschnecke Halsketten, Amulette, Haarnadeln und Armschmuck von einer Feinheit ziselierte «als wären sie aus Silber vom besten Goldschmied in Paris gefertigt», wie Blagbelle schwärmt. (8)

Klare Arbeitsteilung

Blagbelle selbst spricht zwar nicht explizit davon, doch können wir aus seinen Beschreibungen auf eine recht klare Arbeitsteilung bei den Sacula schliessen – und es erstaunt wohl kaum, dass es die Riesenflügelschnecke war, die dabei sozusagen die Regeln diktierte. Ganz offensichtlich waren die Frauen für alle Arbeiten zuständig, die mit der lebenden Strombus gigas oder ihrem Fleisch zu tun hatten. Die Männer übernahmen sodann das leere Gehäuse, um daraus Hütten, Werkzeuge und Schmuck zu schaffen. (9).

Das Mundstück eines Muschelhorns. Rund 3 cm der Spindel sind weggesägt und 2 cm der Columnella weggebrochen.

Auch die Anfertigung von Muschelhörnern fiel folglich in den Zuständigkeitsbereich der Sacula-Männer – und Blagbelle berichtet, dass einige Spezialisten ihren archaischen Instrumenten «sogar ganze Melodien» hätten entlocken können. Generell allerdings dürfte Stromus gigas wohl vor allem als Signalhorn zum Einsatz gekommen sein. Muschelhörner waren und sind im ganzen karibischen Raum verbreitet. Der durchdringende Ton kündet je nach Ort und Situation die Rückkehr eines Fischerbootes in den Hafen, die Austragung eines rituellen Kampfes oder eine Versammlung an. Für viele Segler gehört das Muschelhorn als effektvolles Nebelhorn auch heute noch zur Grundausrüstung eines jeden Bootes.

Symbol der Befreiung

Zur Zeit der Sklaverei wurde das Muschelhorn auf den grossen Zuckerplantagen wie eine Fabriksirene eingesetzt, um den Sklaven in den Feldern das Ende des Arbeitstages zu verkünden. Kein Wunder, wurde Ouataboui später zu einem Symbol der Befreiung von der Sklaverei umgedeutet. (10) Natürlich spielte die Riesenflügelschnecke auch in der Religion der Sacula eine zentrale Rolle. Blagbelle interessiert sich nicht sonderlich für diesen Aspekt der Sacula-Kultur und also wissen wir nicht, welche Gottheiten und Geister sie verehrten. Immerhin aber beschreibt er eine nächtliche Zeremonie, in deren Mittelpunkt eine seltsame Priesterfigur stand: «Sie war mit allerlei billigem Tand behängt, mit Lumpen und Federn, kleinen Glöckchen und Ketten aus Muscheln und Glas. In einem Moment schien sie mir eine Frau mit grossen Brüsten und einem dicken Bauch, dann wieder war ich sicher, einen ganz dünnen Mann vor mir zu haben. Mal schien sie jung und schön, dann wieder sah ich hässliche Runzeln und ein altes, böses Gesicht. Sie tanzte mit wilder Wut und mit jeder Umdrehung ihres Körpers schien sie eine andere zu werden.»

Hunderte von blauen Muscheln

Die Zeremonie fand am Rande des Dorfes in einem grossen Rund statt, das durch «Hunderte von blau eingefärbten Lambis auf dem Boden markiert war. Im Zentrum des Kreises brannte ein Feuer, in dessen flackerndem Licht die Körper der Indianer zu glühen schienen. Eine grosse Trommel spielte und sie bewegten sich in deren Rhythmus hin und her. Das dauerte einige Zeit und geschah ohne jede Veränderung des Taktes. Schon dachte ich, dass ich den Kern der Sache wohl verstanden hätte und wollte gehen. Plötzlich aber hielt die Trommel inne. – Für einige Sekunden herrschte völlige Stille, dann stiess die Priesterfigur krächzend ein paar unverständliche Laute hervor und streckte zitternd die Hände zum Himmel. ‹Ouana manu, ouana manu› murmelte sie immer wieder und – ich weiss nicht, was für ein billiger Zauber das war – mit einem Mal hielt sie eine mächtige Lambis zwischen ihren Händen. ‹Ouana, ouana› sang, nein stöhnte nun die versammelte Gemeinde und aller Augen waren auf das Ouataboui gerichtet. Mit zuckenden Bewegungen stiess der Priester die Lambi immer wieder gegen den Himmel, ganz als wolle er das Tier aus seiner Schale schütteln. Und erstaunlicherweise kam der mächtige Muskel tatsächlich Stück für Stück aus dem Gehäuse hervor. Dann liess die Priesterfigur ein schrilles ‹Hiii› hören, hieb die Zähne in den Muskel und riss ihn mit einem Ruck aus der Schale. Nun setzte die Trommel wieder ein, viel schneller und lauter als zuvor. Die Indianer begannen rund um das Feuer zu tanzen, an ihrem Priester vorbei. Der hielt den Muskel der Lambi fest zwischen seinen Zähnen und schüttelte seinen Kopf wild hin und her wie ein Raubtier, das Beute gerissen hat. Aus der Muschel, die er immer noch mit beiden Händen über dem Kopf hielt, schwappte plötzlich ein weissliches Wasser und traf einen der Tänzer im Nacken. ‹Uamaiu, uamaiu› begannen die Indianer nun zu skandieren, die Schläge der Trommel wurden noch schneller, und einer nach dem anderen tanzten sie durch den Strahl, der ohne Unterbruch aus der Muschel schoss. Die Erregung der Gemeinde konnte keinen unbeteiligt lassen. Und also fragte ich mich erst im Nachhinein, wie es nur kommen konnte, dass sich so viel Flüssigkeit aus dieser Lambi ergoss. Es gab eine ganz einfache Erklärung dafür, da war ich mir sicher. Im Moment jedoch wusste ich nicht…»

Heilige Orte

An dieser Stelle brechen die Aufzeichnungen von Blagbelle ab. Wir erfahren also nicht, wie sich die Zeremonie fortgesetzt hat und ob es weitere Höhepunkte gab. (11) In welcher Form sich Elemente aus den Riten der Sacula etwa in Voodoo-Ritualen erhalten haben, die heute noch praktiziert werden, ist schwer zu sagen.

Auch heute noch werden heilige Orte auf Santa Lemusa mit Lambi-Muscheln markiert, die oft blau angemalt sind.

Auf jeden Fall hat die Riesenflügelschnecke auf Santa Lemsua bis heute für viele eine sakrale Bedeutung behalten, ganz besonders im Süden der Insel. So werden Orte, die auf die eine oder andere Weise heilig sind, mit Gehäusen der Strombus gigas markiert, die manchmal blau angemalt sein können. (12) Ja das mächtige Meerestier hat auch in der katholischen Kirche seinen Platz bekommen: Vor Kapellen und Altären trifft man es ebenso an wie auf Friedhöfen, wo die schöne Schnecke die Gräber einzelner Familien ziert. – Zu all diesen sakralen Bedeutungen kommt hinzu, dass die Riesenflügelschnecke auf Santa Lemusa heute vor allem auch als Delikatesse verehrt wird und folglich auf der Speisekarte keines Gourmet-Tempels fehlen darf. Sie wird gegrillt und als Ragout zubereitet, im Ofen gebacken oder sogar als eine Art Meeresblutwurst (Boudin de lambi) serviert.

Kulinarische Interessen

Viele Jahre lang war das Interesse an den Sacula auf der Insel äusserst gering. Man wusste zwar um die Schriften von Blagbelle und einige ethnographische Gegenstände, die das historische Museum bewahrte – man schenkte dieser indianischen Erbschaft jedoch kaum Beachtung. Das mag unter anderem damit zu tun haben, dass das Ende der Sacula relativ unspektakulär war: Der Stamm löste sich als autonome Einheit irgendwann nach 1900 einfach sukzessive auf und seine letzten Mitglieder wurden zu einem Teil der übrigen Inselbevölkerung. – Es ist wohl recht typisch für die Verhältnisse auf Santa Lemusa, dass es ausgerechnet kulinarische Interessen waren, die eine neue Suche nach Spuren der Sacula motivierten. Christina Soime, die Inhaberin des Restaurant «Bèl Bato», versuchte auf dem Umweg über traditionelle Lambi-Rezepte der Insel zu rekonstruieren, wie die Sacula die Strombus gigas zubereitet haben könnten. Die «Poellée de Lambis façon Sacula», die auf der Karte ihres Restaurants fungiert, ist ein erstes Resultat dieser Suche. (13) Andere Restaurateure haben den Faden aufgenommen und bieten nun ebenfalls ‹historische› Lambi-Rezepte an. Bleibt zu hoffen, dass dieses kulinarische Interesse an der Erbschaft der Sacula vielleicht bald einmal auch eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Indianern nach sich zieht. Immerhin stellen die Sacula eines der spannendsten Kapitel in der Geschichte von Santa Lemusa dar.

Ein Arrangement in der Nähe einer kleinen Kapelle.

Siehe auch

First Publication: 5-2004

Modifications: 22-2-2009, 30-9-2011, 3-7-2013