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Egri Bikavér Thummerer 2009

Unbewegt riecht der Wein zunächst nach leicht säuerlichen Kirschen, dann kommen kleine reife Walderdbeeren dazu, etwas feuchtes Holz. Ab und zu geht eine parfümierte Dame vorbei, der Duft ihres Foulards hängt in der Luft für Sekunden nach – dann sind wir wieder ganz allein im Wald. Die Bewegung schreckt eine leichte Brennsprit-Note auf, doch der Sprit versickert schnell in den dunklen Rinden gefallener Bäume.

Im Mund ist der Wein leicht bitter, komplex, voll, reich an Tannin. Von innen rückt der Wald noch näher, nun liegen wir auf dem Boden und starren in die Kronen der Bäume. Uns unbekannte Früchte hängen dort, dunkle, ernste Körper. Schwarze Pfirsiche vielleicht oder Orangen mit einem portweinfarbenen Fleisch. Dazu gesellt sich ausgetrocknetes Holz – und Borkenstücke, die vor sich hin modern, mit einer Ahnung von Muskatnuss und Kiefer. Im Abgang kauen wir eine dunkle, im Ofen getrocknete Kirsche heraus.

Und dann, wenn wir das Glas einige Zeit unberührt gelassen haben, stehen wir plötzlich neben einem Ster frisch aufgeschichteten Holzes – nun ist der Wald gefällt und zerlegt, Sägespäne am Boden.

Unsere Nase bewegt sich hier durch starke Ahnungen. Dieser Bikavér provoziert Stimmungen, wie wir sie auch im Leben manchmal registrieren: Momente, in denen plötzlich ganz viel möglich scheint – ohne dass wir genau sagen könnten, worum es dabei geht oder was diese Stimmung bewirkt hat. Es sind Momente grundlosen Glücks. Wir sind berührt, ohne zu wissen, was uns anlangt, fühlen uns reich, stehen mitten auf dieser Welt – und spüren doch keine Angst.

Getrunken am Dienstag, 6. Mai 2014 in der Küche meiner Wohnung über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Gekauft bei «Hungaricum Wine & Fine Food» am Flughafen Ferihegy Terminál 2 in Budapest (7000 Ft., Fr. 27.66 im November 2014).

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