Wenig begangene Pfade erkennt man daran, dass einem bei jedem Schritt Spinnnetze im Gesicht und an den Armen hängen bleiben. Der Weg zum Forgotten Lake im St Clair National Park ist offenbar so ein wenig begangener Pfad. Aber könnte es etwas Passenderes geben als Spinnnetze auf dem Weg zu diesem See – sind diese Wunderwerke insektischer Webkunst nicht Zeichen schlechthin dafür, dass etwas ins Vergessen abzugleiten beginnt?
Ob ich wohl, wenn ich in dem See ein paar Schwimmzüge tue, ebenfalls in Vergessenheit gerate – Forgotten Polter? Ich ziehe mich aus und mache mich daran, durch den etwas schlammigen Uferbereich in Richtung Seemitte zu waten. Kaum drei Schritte vom Bord entfernt allerdings sehe ich so etwas wie einen Riesenwurm, der sich vor meinen Füssen davon macht. Nun, vielleicht möchte ich gar nicht vergessen werden – lieber wäre es mir umgekehrt, ich würde das eine oder andere vergessen können, das aus dem Schlamm meiner Vergangenheit in den verhältnismässig klaren Wassern meiner Gegenwart nachwirkt.
Noch weniger begangen ist der Pfad zum Mount Hugel, der sich gleich neben dem Forgotten Lake erhebt. Über kleine Wasserläufe und Geröll versuche ich die Spitze zu erreichen, bleibe aber wiederholt in Sackgassen aus harzig-malzig duftenden Büschen hängen oder werde von klebrigen Sümpfen gestoppt. Mit höhnischem Kreischen kommentieren die Vögel aus ihren Baumkronen einen jeden meiner Irrläufe – die gemeinsten Töne geben schwarze Wellensittiche ab. Auf halbem Wege kehre ich um, auch weil ich in dem Dickicht nicht sehe, wohin ich meine Füsse setze – und nicht erpicht darauf bin, eine der vor sich hin dösenden Tiger-Schlangen aus ihren Träumen zu treten, vor denen Schilde am Eingang des Parks warnen. Aus der Perspektive des Rückkehrers allerdings sieht das Gelände doch deutlich anders aus, die Gegend scheint mir fremd. An einer Zweigstelle entscheide ich mich für den rechten Weg – doch dann sehe ich links den Abdruck meiner Schuhe auf einem Stück Wallaby-Kot.
Vielleicht hat mich der See selbst an der Rückkehr zu seinen Ufern hindern wollen, vielleicht wollte er wieder in Vergessenheit geraten. Gut möglich also auch, dass es ihn gar nicht gibt – Forgotten what?
First Publication: 18-4-2014
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