Terrine aus Hechtfleisch mit Judasohren und Pistazien, gewürzt mit Schwarzem Kardamom, Ingwer, Chili und Limette
Als Pistache, das Elefanten-Weibchen des Wanderzirkus «Cabiria», eines Tages plötzlich verschwunden war, wussten die Einwohner von Babat sofort, was geschehen sein musste. Pistache war ein kluges Tier und gehörte zu den wichtigsten Attraktionen der Manege. Sie konnte auf ihrem Hinterteil Bälle tanzen lassen und schälte mit ihrem Rüssel Bananen für die Zuschauer. Ihr grösstes Kunststück aber bestand darin, mit ihren Ohren einen so kräftigen Wind zu verursachen, dass sich ein kleines Segelboot mit einem Affen drin durch ein Wasserbecken bewegte. Ihren Namen hatte die Dame mit den mächtigen Löffeln daher, dass sie am liebsten Pistazien ass, die sie ebenfalls sehr geschickt mit ihrem Rüssel zu schälen verstand. Pistache wanderte schon seit vielen Jahren mit dem Zirkus über die Insel – und war so zahm, dass ihr Dompteur sie die meiste Zeit frei herumlaufen liess. Die Tiergehege des «Cabiria» waren etwas ausserhalb der Siedlung aufgestellt – in der Nähe der Chutes du Brochet. Wenn Pistache durstig war oder sich mit Wasser bespritzen wollte, dann schlenderte sie zu dieser Kaskade und bediente sich. Die Bewohner von Babat hatten die Zirkus-Leute gewarnt, ihre Kinder nicht bei dem Wasserfall spielen zu lassen – denn, wie es ja der Name schon verrate, wohne in diesem Abschnitt der Rivière Dous ein mächtiger Hecht, der auch schon Katzen gefressen habe. Zwar glaubten die Zirkusleute nicht so recht an die Existenz eines derart gewaltigen Fisches in einem vergleichsweise doch eher kleinen Fluss – aber sie hielten ihre Kinder doch von den Fällen fern, und sei es nur, um die Dorfbewohner nicht zu düpieren.
Als Pistache auch nach zwei Tagen nicht wieder auftauchen wollte, suchte ihr Dompteur schliesslich die Gendarmerie von Babat auf, um den Verlust zu melden – und das Tier zur Fahndung auszuschreiben. Er staunte nicht schlecht, als die Beamten allen Ernstes behaupteten, der Elefant sei bestimmt von dem grossen Hecht aus der Rivière Dous gerissen worden. Der Dompteur versuchte den Herren klar zu machen, dass neben seiner Pistache doch noch der grösste Hecht eine ziemlich mickrige Figur machen müsse. Allein die Polizisten blieben bei ihrem Verdacht und suchten per Aufruf nach Zeugen, die Hinweise auf die Vorfälle an der Rivière Dous geben konnten.
Es dauerte nicht lange, da meldete sich ein Bäuerin, die täglich in Nähe des Wasserfalles ihre Felder mit Schwarzem Kardamom pflegte, und ein «überaus lautes Prusten» gehört haben wollte, das aus der Gegend des Flusses kam. Wenig später fand sich ein Fischer auf dem Polizeiposten ein, der doch tatsächlich behauptete, «so etwas wie ein Stück Rüssel» sei an seinem Schwimmer vorbeigetrieben. Den Vogel aber schoss dann ein Pilzsammler namens Serge Onddo ab. Er wollte bei den Chutes einen Elefanten gesehen haben, der verzweifelt versuchte, einen riesigen, sicher zwei Meter langen Hecht abzuschütteln, der sich in seinem Rüssel verbissen hatte: «Verzweiflung und Angst standen dem Tier in die kleinen Augen geschrieben. Es schüttelt sich wie wild und peitschte seinen Rüssel durch die Luft – doch vergeblich, das Monster liess einfach nicht los. Beim Versuch, rückwärts die Uferböschung hoch zu klettern, blieb das Tier dann mit seinem linken Ohr in einer Astgabel hängen. Als es sich endlich losreissen konnte, prallte es mit dem Kopf gegen den Felsen auf seiner Rechten, verlor das Bewusstsein und sank in den Fluss. Ganz allmählich trug die Strömung den schweren Körper davon – ach was sage ich, es war der Hecht, der den Elefanten davon zerrte.» Die Gendarmen glaubten dem Mann – wenngleich Serge Onddo dafür bekannt war, dass er sich vor dem Gang in den Wald jeweils bei einigen Tassen Kaffee mit Cognac «inspirierte».
Die Polizisten stellten einen bewaffneten Trupp zusammen, der sich aufmachte, die Rivière Dous von den Chutes du Brochet an abwärts zu untersuchen. In ihrer Nervosität schossen die Beamten auf alles, was sich im Wasser bewegte. Sie erlegten einen Rapfen, eine Quappe, einen Pangasius, einen kapitalen Wels, eine Ente, einen Affen – und auch zwei kleine Hechte, die aber als potentielle Mörder von Pistache nicht in Frage kamen. Schon wollten die Beamten ihre Suche abbrechen, da entdeckten sie an einem Stück Treibholz, das sich in Ufernähe verkeilt hatte, ein seltsames Röhrchen aus grauem Leder – und an dessen Ende ein Büschel zerzauster Haare. Mit dieser Trophäe kehrten die Beamten nach Babat zurück. Der Dompteur erkannte sofort, dass es sich bei dem Lederröhrchen um das Schwanzende seiner Pistache handelte – trotzdem wollte er nicht glauben, dass ein Fisch sein riesiges Tier gerissen habe. Er hatte Wilderer im Verdacht, die seine Pistache wegen des Elfenbeins geschlachtet haben mussten – und erstattete Anzeige gegen Unbekannt. Die Gendarmen nahmen die Anzeige widerwillig entgegen – waren sie doch überzeugt, den wahren Mörder des Elefanten zu kennen.
Vorfälle mit einem Hecht hat es seit jenen Tagen keine mehr gegeben – die Geschichte vom Verschwinden des Elefanten-Weibchens Pistache aber geistert bis heute in den Köpfen der Bewohner von Babat herum. Und auch wenn nicht alle an die Existenz eines Hecht-Monsters glauben, so halten sie sich doch von den Chutes du Brochet fern. Der Zirkus «Cabiria» ist seit dem Verlust seines Elefanten nie mehr nach Babat zurückgekehrt – wenngleich sich der Dompteur längst einen neuen Elefanten besorgt hat, der noch viel tollere Kunststücke kann.
Die Geschichte hat auch Paka Polter inspiriert. Die Schwester des bekannten Reporters Peter Polter arbeitete einige Jahre lang als Köchin im Restaurant «L'Arène des Entrailles» in Babat. Während dieser Zeit hat sie das, was sich vielleicht damals bei den Chutes du Brochet zutrug, ins Kulinarische übersetzt. Ihre Terrine «Elefant im Hecht» (das Rezept hat original einen deutschen Namen, Paka Polter stammt aus Palmheim) besteht aus Hechtfleisch, in dem Judasohren versenkt sind – diese schlabbrigen Pilze können ja tatsächlich an die grossen Ohren von afrikanischen Elefanten erinnern. Ausserdem enthält die Terrine, wie könnte es anders sein, natürlich auch ein paar Pistazien. So wird er für den, der die Geschichte kennt, ganz schön anschaulich, der «Elefant im Hecht».
Gewürzt ist die Terrine unter anderem mit dem Schwarzen Kardamom, der in der Gegend von Babat angebaut wird – und seit dem Jahr 2001 den Zunamen «Queue d'éléphant» trägt (die Felder einer Hauptproduzentin von Schwarzem Kardamom liegen nahe dem Fundort des Elefantenschwänzchens). Die Terrine schmeckt nach Fisch, leicht zitronig, ein bisschen scharf. Das Aroma des Schwarzen Kardamom lässt an einen dunklen Verwandten von Eukalyptus denken, auch an kalten Rauch und ein wenig an Terpentin. Es verleiht der Terrine eine exotische Note, führt unsere Gedanken in den Wald über Babat und zu dem grossen Katarakt, wo die zweite Karriere des Elefanten-Weibchen Pistache begann, die Karriere als Terrine.
Wir servieren «Elefant im Hecht» mit einer ganz leichten Sauce, die wir aus Joghurt, etwas Salz, Limetten-Saft und Abrieb der Schale anrühren. Dazu geben wir einen Salat aus Judasohren und roten Zwiebeln, besprenkelt mit einem Dressing aus Salz, Limette und Olivenöl.
Kochzeit 75 Minuten
10 g getrocknete Judasohren, 10 Minuten in Wasser eingeweicht, abgespült und ausgedrückt
6 Kapseln Schwarzer Kardamom (15 g)
330 g Hecht-Fleisch, von allen Gräten befreit, grob gehackt
3 Eier
180 g saure Sahne (15% Fett)
1 entkernter und fein gehackter, nicht zu scharfer Chili (Stil Peperoncino)
2 knappe EL fein gehackter frischer Ingwer (12 g)
3 EL Fischsauce
Abrieb von 1 Limette
30 Pistazien (40 g), geschält und so gut wie möglich von den Häutchen befreit
First Publication: 2-2-2014
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