Kuchen mit Safran und Zitrone
Einen Grafen aus Fleisch und Blut hat es in Ahoa nie gegeben – dafür aber spukt der Marquis de Sade (1740-1814) seit mehr als hundert Jahren in den Köpfen der Dorfbewohner herum. Denn André Degeyter, der Begründer der Safranplantage «Mont Fouet», war ein grosser Verehrer des Franzosen – und vertrat seine Passion mit geradezu missionarischem Eifer (siehe auch Plage des Grillons). Auch seine Töchter Justine und Juliette trugen ihre Namen mit Stolz und Freude. Ohne je zu heiraten gebar Juliette eine Tochter, die sie wiederum Justine nannte – die Mutter jener Justine, die heute die Geschicke des «Mont Fouet» bestimmt.
Auch die Urenkelin von Degeyter hat «ihren Sade gelesen», wie sie betont – allerdings fand sie «aus heutiger Perspektive doch manche Dinge geradezu komisch». Als begeisterte Köchin und Bäckerin interessierte sie sich vor allem für jene Szenen, in denen «irgendetwas gegessen oder getrunken wird – egal was.» Eine ähnliche Begeisterung für kulinarische Dinge muss auch schon ihr Grosstante Justine gehabt haben, denn von ihr hat die junge Köchin eine «ganze Kiste voller Rezepte» geerbt – alle sorgfältig von Hand notiert, oft mit zahlreichen Korrekturen und Kommentaren versehen, gelegentlich auch mit kleinen Aquarellen illustriert.
Die Namen vieler dieser Rezepte enthalten Anspielungen auf den Marquis de Sade oder auf Figuren und Szenen aus seinen Büchern. Justine ist überzeugt, dass sich ihre Ahnin tatsächlich mit Rezepten aus dem späten 18. Jahrhundert beschäftigt habe – «ja sie hatte vielleicht sogar recht genaue Informationen über die kulinarischen Gepflogenheiten des Marquis. Ich erinnere mich auch, dass meine Grossmutter einmal von einem Heft sprach, Notizen eines Leibkochs des Grafen. Leider habe ich das Stück in unserer Bibliothek noch nicht gefunden». Trotzdem schlug Justine 2011 dem Verlag «Librairie Port Louis» vor, auf Basis der von ihrer Grosstante überlieferten Rezepte ein Buch mit dem Titel «Crème fouettée – a table avec le Marqui des Sade» herauszubringen. Sie entwarf sogar ein Titelblatt für die Publikation – doch der Verlag lehnte ab.
Das hier vorgestellte Rezept stammt aus der Kiste, die Justine von ihrer Grosstante geerbt hat – dass Safran darin eine wesentliche Rolle spielt, ist wenig erstaunlich. Justine Degeyter (die Grosstante) hat dem Kuchen den Namen «Brique du Marquis» (auch «Brik di Marki») gegeben – und das Rezept mit dem Aquarell eines gelb leuchtenden Ziegelsteins illustriert.
Der Kuchen schmeckt eher süss und hat eine fast etwas brotige, auch an Marmorkuchen erinnernde Konsistenz. Die Schwere des Safrans wird durch die säuerliche Leichtigkeit der Zitrone gut konterkariert – ja die Zitrone verleiht dem Heu-Aroma des Safrans etwas Sommerliches, Jubilierendes, Ausgelassenes. Der Kuchen hat auf der Oberseite eine feine Kruste aus leicht karamellisiertem Zucker.
Packt man die Brique über Nacht in ein Stück Alufolie ein, dann ist sie am nächsten Tag deutlich feuchter – und hat eine ganz andere Konsistenz, die fast ein wenig an Quarkkuchen erinnert. Die feine Zuckerkruste ist dann weg – man kann das kompensieren, indem man etwas Zucker auf die Oberfläche rieseln lässt.
In den Anmerkungen zum Rezept schrieb die Grosstante offenbar, dass der Kuchen «avec de la crème fortement fouettée» zu servieren sei. Uns schmeckt er auch ohne diese Zutat.
Backzeit 40 Minuten
First Publication: 29-1-2014
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