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Nichts kann echtes Papuk aus Santa Lemusa ersetzen, wie es dort etwa von der «Boutik Cho» hergestellt wird – auch selbst gemacht hat das Gewürz indes eine «lebendiges» Aroma, wie es Jean-Marie Tromontis einfordern würde. (Bild Karin Frei)

Nationalgewürz Papuk

«Ist dein Papuk gut, dann können deine Gäste nicht schlecht sein», lautet ein altes Sprichwort auf Santa Lemusa. Es zeigt, wie sehr die Bewohner der Insel immer schon an dieser Gewürzmischung gehangen haben.

Seit wann es auf Santa Lemusa eine Mixtur aus Gewürzen gibt, die Papuk genannt wird, lässt sich indes nicht mit Sicherheit sagen – heute jedenfalls ist Papuk auf Santa Lemusa so beliebt, dass man geradezu von einem Nationalgewürz sprechen kann.

Einige behaupten, schon die Alt-Valerier oder die frühen Kloi hätten Papuk gekannt: Dagegen spricht, dass markante Ingredienzien der Mischung wie Zimt (kannèl) nachweislich erst während der sogenannten Kolonialzeit auf der Insel eingeführt wurden (vergleich das Kapitel zum Zimt). Recherchen der Autorin und Journalistin Sarah Tibuni haben ergeben, dass Papuk in gewissen Familien der Westküste früher nicht ein Gewürz bezeichnete, sondern ein Eintopfgericht, das lange über dem Feuer schmoren musste. Die Zutaten dieses Gerichts und sein Geschmack dürften dabei «erheblich variiert haben», wie Tibuni bemerkt. In ihrem Artikel «Une potée créole – les origines du Papok» («Leko», 11. März 2004) macht sich Tibuni ausserdem für die These stark, dass schon verschiedene Ureinwohner der Insel einen Eintopf namens Papuk gekannt haben sollen. Auch Tibuni räumt ein, dass einige charakteristische Zutaten von Papuk erst während der Kolonialzeit auf der Insel eingeführt wurden. Trotzdem hält sie an ihrer These fest: «Heute versuchen wir ja, aus einer seltsamen Nostalgie heraus, gewisse Dinge genau so zu kochen, wie wir glauben, dass es schon unsere Urgrossmütter taten – und fühlen uns irgendwie gut, irgendwie echt dabei. Früher war das anders, spielte Authentizität kaum eine Rolle. Man fragte nicht nach dem ‹Echten›, sondern vielmehr nach dem ‹Guten›. Niemand verschwendete einen Gedanken daran, ein bestimmtes Gericht möglichst ‹unverfälscht› zu kochen – man wollte es möglichst schmackhaft haben und da war in jenen armen Zeiten fast jedes Mittel recht.» Wenn ein neues Gewürz auf den Markt kam, so Tibuni, habe man es folglich ohne allzu grosse Bedenken in bestehende Rezepte integriert.

Tibuni kommt zu dem Schluss, dass «wir das berühmte Papuk zweifellos unseren Vorfahren verdanken.» Sie fügt jedoch auch an: «Würde uns das Papuk der lemusischen Ureinwohner heute vorgesetzt, wir kämen vom Geschmack her wohl kaum auf die Idee, es mit der gleichnamigen Gewürzmischung in Verbindung bringen.» Tibunis These vom altehrwürdigen Ursprung des Papuk blieb nicht unwidersprochen. Suzanne Confiant etwa meint, Tibuni sei wohl «selbst ein Opfer der Nostalgie geworden, über die sie sich in ihrem Text mokiert.»

Duftendes Ensemble: die gerösteten Zutaten für Papuk, bereit für die Mühle.

Charakter und Verwendung

Im Unterschied etwa zu Colombo-Pulver oder verschiedenen Curry-Mischungen (Kari), kennt man Papuk fast nur auf Santa Lemusa. Die Mischung riecht blumig, ist ein wenig süsslich und warm im Aroma, mit markanten Röstnoten, oft feurig im Geschmack und meist von leuchtend orangeroter Farbe. Traditionell gehören in ein Papuk immer die gleichen Zutaten: Zimt, Kreuzkümmel, Koriandersamen, Pfeffer, Fenchelsamen, Gewürznelken, Chilis und Kurkuma - manchmal auch Ajowan, Ingwer, Curry-Blätter oder Knoblauch. Der spezifische Geschmack jeder einzelnen Mischung hängt von den Zutaten, genauso aber aber auch von den Mengenverhältnissen, der Art und Intensität der Röstung, der Mahlweise und weiteren Verarbeitungsfaktoren ab. Wen erstauntes da, dass auf Santa Lemusa ganz verschiedene Gewürze als Papuk angeboten werden.

Die Familie von Suzanne Confiant hat da allerdings gewisse Standards gesetzt. Schon der Vater von Suzanne hat ein Papuk hergestellt, dessen überragende Qualität auf der ganzen Insel bekannt war. Er hat sein Rezept an die Tochter weitergegeben, die es verfeinert hat und der es ausserdem gelang, die Haltbarkeit des Aromas erheblich zu verbessern.

Papuk hat, wie andere Mischungen, den Vorteil, dass es die Zugabe weiterer Gewürze in der Regel unnötig macht. Es kann ähnlich wie ein scharfes Curry-Pulver oder ein Colombo eingesetzt werden. Die Mischung passt ebenso zu Fleisch oder Fisch wie zu Gemüse oder Reis. Sie eignet sich für Marinaden oder Suppen, für alle Gerichte mit Sauce sowie für Eintöpfe. Ungekocht duftet Papuk etwas grün und säuerlich, doch im Verlauf des Garens wird der Geruch wärmer und harmonischer. Auf Santa Lemusa wird Papuk besonders gern zusammen mit Kalparik oder Kokosmilch und etwas Zitronen- oder Limetten-Saft kombiniert.

Das eigentliche Charakteristikum von Papuk ist seine «Lebendigkeit», wie Jean-Marie Tromontis betont: «So haben wir es bei diesen Speisen, wenn sie mit bestem Papuk zubereitet sind und der Koch sie nicht durch mangelndes Geschick verdirbt, stets mit Gerichten von einer Lebendigkeit im Geruche und Geschmacke zu tun, die sich nur schwer erklären, deren Effekt sich aber bei jeder Tischgesellschaft beobachten lässt. Wird eine mit Papuk gewürzte Speise aufgetragen, so wirkt dies sichtlich auf die zum Male Versammelten ein. Jede Unterhaltung schwindet vor der Fülle des Herzens, jedes Auge blickt auf die Hände [gemeint sind wohl die Hände der Köchin oder des Kochs], als brächten die schieres Glück zu Tische. Und werden dann gar die gefüllten Teller verteilt, dann bricht es ringsherum auf den Gesichtern hervor: das Feuer des Verlangens, die Ekstase des Genusses, die völlige Ruhe der Seligkeit».

Etymologisches

Kontrovers wird auch die Bezeichnung Papuk diskutiert. Natürlich vertritt Sarah Tibuni die Meinung, das Wort stamme aus einer Sprache der Ureinwohner von Santa Lemusa. Auf der Insel kursieren jedoch auch noch diverse andere Erklärungen für den Namen. Häufig wird Papuk auf die kreolischen Worte pa oder vielmehr ba (französisch pour) und bouk (französisch bourg) zurückgeführt: Früher habe jeder Dorfladen seine eigene Gewürzmischung zusammengestellt und an die Dorfbewohner verkauft – deshalb bedeute Papuk einfach «Für das Dorf».

Suzanne Confiant von der Boutik Cho indes hat eine andere Erklärung und beruft sich dabei auf Überlieferungen aus ihrer Familie, die seit Generationen mit Gewürzen handelt. Papuk und Papok (die lemusischen Chili-Flocken) seien von ein und derselben kreolischen Bezeichnung abgeleitet: babèk oder papèk – was man auf Französisch mit pour le bec, auf Deutsch etwa mit «für den Schnabel» übersetzen kann.

Jede «Épicerie» auf Santa Lemusa stellt – nach Geheimrezept – ihr eigenes Papuk her.
Papuk macht sich auch gut in Marinaden – etwa für Schweinerippchen.
Am 27. Juni 2012, anlässlich des Nationalfeiertages, zeigt HOIO im Hof des Zürcher Stadtspital Triemli, wie man Papuk herstellt und verwenden kann. Den Rahmen dazu bildet das Projekt «44/33». (Bild Karin Frei)

Papuk selbst gemacht

Wir haben von Suzanne Confiant ein Rezept erhalten, wie man «eine einfache Version» (Confiant) des Gewürzes selbst herstellen kann. Natürlich kann das Resultat ein echtes Papuk aus der Boutik Cho nicht ersetzen – ein anständiger Stellvertreter ist es schon.

Zutaten (für ca. 120 g Gewürz)

3 EL ungekochter Reis (40 g)

2 EL Kreuzkümmel (ganz, ca 11 g)

3 EL Koriandersamen (ca. 15 g)

2 EL schwarzer Pfeffer, ganz (ca. 15 g)

gut 2 EL Fenchelsamen (ca, 15 g)

1/2 EL Gewürznelken (2 g)

2 Stangen Zimt, leicht zerbrochen (ca. 15 g)

1 EL getrocknete Chilis (3 g, oder auch mehr)

1 1/2 EL getrocknetes Kurkuma, gemahlen (ca. 14 g)

1 knapper EL getrockneter Ingwer, gemahlen (ca. 3 g)

Zubereitung

  1. Eine grössere Schüssel bereitstellen, in der man die fertig gerösteten Gewürze versammeln und vermischen kann.
  2. Eine Bratpfanne (am besten eine nicht beschichte Stahlpfanne oder eine Pfanne aus Eisenguss) nicht zu stark erhitzen und unter häufigem Rühren und Schütteln zunächst den Reis rösten (bis er sich zu verfärben beginnt).
  3. Nach demselben Prinzip nacheinander die folgenden Gewürze rösten:
    Kreuzkümmel (bis er duftet, sich leicht bräunlich verfärbt und knackt weil die Samen aufspringen)
    Koriandersamen (bis sie duften, leise knacken und eine etwas dunklere Farbe annehmen)
    Pfeffer (bis er duftet, knackt und sich die Körner auf seltsam ruckelige Art in der Pfanne bewegen)
    Fenchel (bis er duftet und sich leicht bräunlich verfärbt)
    Gewürznelken (bis sie duften aber noch nicht angekohlt sind)
    Zimstange (bis sie duftet und sich leicht dunklere Stellen auf ihrer Oberfläche bilden)
    Chilis (bis sie anfangen, sich dunkel zu verfärben)
  4. Das gemahlene Kurkuma und den Ingwer zu den gerösteten Zutaten geben, alles gut vermischen, abkühlen lassen und am besten in einer elektrischen Kaffeemühle zu einem feinen Pulver zermahlen. Nochmals ausgiebig mischen.

In luftdichten Gefässen hält sich das Aroma der Mischung mehrere Monate lang.

Rezepte mit Papuk

First Publication: 3-2003

Modifications: 4-3-2009