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Stiefel bekommt man in Zürich überall – Schweinehaxen aber sind rar. Vitrine eines Kleiderladens beim Bahnhof Stadelhofen. (Montag, 28. Oktober 2013)

22. Flasche

Fruchtformen

Barbera d'Asti Arbiola Romilda XIII 2008

Von aussen riecht der Wein unbewegt nach überreifer Erdbeere, feuchtem Leder und ein wenig nach altem Apothekerschränkchen. Mit dem Kreisen verdeutlichen sich, zieht man die Luft heftig durch die Nase, eine sehr reife, nun eher schwarze Frucht und das verregnete Leder. Riecht man indes nur ganz fein am Wein, steigen Zimt und Milchschokolade auf. Hält man seine Nase in den oberen Bereich des Glases, ist da auch wieder die frisch mit leichtem Seifenwasser gereinigte Haut, die mich in so manchem Barbera überrascht hat. Sie wird indes hier mit der Zeit von einem leicht unsauberen, vergorenen Ton konterkariert. Schwer zu sagen, ob der zum Wein gehört – oder aber ein ganz ferner Gruss vom Korken ist.

Es hat lange gebraucht – aber ich habe mich offenbar daran gewöhnt. Fünf Jahre ist es nun her, dass ich mich nach Dezennien erfolgreicher Abstinenz zum Sport überreden liess und beschloss, einem Fitnessclub beizutreten, in dem ich, wenn mir keine Ausrede einfällt, zwei Mal pro Woche auf allerlei kuriosen Maschinen meine Muskeln in Schwung bringe. Heute nun ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass mir nichts aufgefallen ist. Namentlich die Garderobe war für mich zu Beginn weit mehr als nur ein Ort, an dem man sich umzieht und duscht – sie war ein zoologisches Gehege, in dem die Spezies Mann in all ihren Facetten vorgeführt wurde. Dabei will ich gar nicht von den verschiedenen Fruchtformen sprechen, die so ein Männerkörper mit den Jahren annehmen kann – ihr Anblick zwang mich bald dazu, auch meinen Leib im grossen Füllhorn der Natur irgendwo in der Ecke mit den kleineren Quitten zu verorten. Ich will auch nicht von meinem anfänglichen Erstaunen darüber berichten, wie lange man mit einem Tüchlein an einem einzigen Geschlechtsteil herumreiben kann, um es auch wirklich ganz trocken zu bekommen (meine Fantasie interpretierte diese Frottage stets als ein magisches Ritual zwecks Verlängerung, Stärkung oder gar Multiplikation des Requisits). Auch die ballerinenhaften Aufführungen jener Männer, die auf zwei Papiertaschentüchern von ihrem Spint bis zur Dusche rutschen, um nach der Selbstbewässerung auf zwei frischen Tüchlein wieder zurück zu kehren, sollen hier nicht zur Rezension gelangen. Ja selbst meine Hypothese bezüglich des Mannes, der sich eine Zahnbürste auf die linke Arschbacke hat tätowieren lassen… Schwamm und Schweigen darüber. Denn ich habe mich an alles gewöhnt. Etwas länger brauchte ich allerdings, meinen Frieden mit jenen Mit-Fitten zu machen, die sich zum krönenden Abschluss ihrer Selbstsäuberung eine halbe Dose Deodorant der Marke «Tentation Totale» unter die Arme sprayen – steht man im falschen Moment neben ihnen, kann man nur noch möglichst schnell beide Augen zudrücken, ist so eine Achselhöhle doch offenbar schwer zu treffen. Meine Rachegelüste haben gelegentlich ein brennendes Streichholz in den Nebel der Verführung geworfen – doch auch diese grossen Gefühle haben sich gelegt. Schade eigentlich – vielleicht sollte ich den Club wechseln. Was mich heute wirklich irritiert hat, war der Umstand, dass ich sechs Metzgereien aufgesucht, und nirgends ein paar Schweinshaxen bekommen habe. Irgendetwas stimmt in dieser Stadt mit der Verteilung der Muskeln nicht.

Im Mund ist der Barbera kompakt, fast ölig und komplex. Er schmeckt leicht süsslich und säuerlich zugleich – bewegt sich etwa zwischen gedörrter Zwetsche (sauer-trocken) und Pflaume (kompottartig-süss). Kaum kommt etwas Luft an den Wein, mutiert er im Mund zu einem dunklen Kirschsaft mit einer leicht bitteren Note, die entfernt an gewisse Liköre aus Klöstern erinnert. Auch Hustensaft kommt mir in den Sinn – vielleicht liegt das an dem Gebüsch mit Wacholder, Holunder und Sanddorn, das im Hintergrund steht. Der Abgang ist fruchtig-warme Besänftigung.

Getrunken am Montag, 28. Oktober 2013 in der Küche meiner Wohnung über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Gekauft bei «Vigni Vergani» in Zürich (Fr. 28.80 im August 2013).

Nächste Flasche

Barbera d'Asti Superiore Arbiola Romilda XIII

DOCG, 2008, 14.5% Vol.

100% Barbera

Rotwein aus dem Piemont (Italien), produziert von Salagricola S.p.A. aus Torino (Italia) nella propria Tenuta dell'Arbiola azienda agricola in San Marzano Oliveto (auf Karte anzeigen).

First Publication: 29-10-2013

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