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Mein linkes Ohr an der Zollikerstrasse in Zürich. (Montag, 14. Oktober 2013)

16. Flasche

Die Karikatur eines Kusses

Barbera d'Alba Matteo Correggia Marun 2010

Von aussen riecht der Wein unbewegt nach schwarzen Kirschen und dunkler Schokolade. Mit der Drehung kommt eine Eukalyptus-Note dazu, entpuppen sich die süssen Kirschen als Weichselkirschen. Riecht man zaghaft am Glas, macht sich auch etwas reife Himbeere bemerkbar. Mit zwei chinesischen Essstäbchen aus Plastik schlage ich den Wein kurz, so wie man ein Eiweiss schlagen würde, und lasse ihn wieder kreisen. Nun riecht er nach sehr reifer bis überreifer Erdbeere, genauer nach der Sorte Mara des bois, und nach Waldboden.

Im Mund ist der Barbera leicht bitter und auch süss, mit gut verankerter Säure, eher dickflüssig, ein wenig rau, alkoholisch. Von innen riecht er nach Kirsche und nach leicht verkohlten Kuchenteig, dabei erstaunlich frisch. Um sein Aroma besser wahrnehmen zu können, ziehe ich Luft über die gewölbte Zunge an den Gaumen und bringe den Wein so leicht zum Gluckern. Das Blubbern erinnert mich an den Besuch bei meiner Ohrenärztin heute früh: mit einem kleinen Metallröhrchen saugte sie mir einen riesigen Schmalz-Pfropfen aus dem linken Gehörgang. Das Geräusch hatte etwas von einem übertriebenen Kuss – es war die Karikatur eines Schmatzers. Seltsam eigentlich, dass unsere Löffel einen solchen Dreck produzieren – man versteht nicht sofort, wozu das gut sein soll.

Auch Wein entsteht ja gewissermassen aus Dreck – jedenfalls braucht es etwas Unsauberes, damit sich die Hefen an die Arbeit machen. Elio Altare, ein Winzer aus La Morra im Barolo-Gebiet, erzählte mir kürzlich von der irritierenden Erfahrung, die er beim Besuch eines berühmten Produzenten im Burgund gemacht habe: «Sein Keller war so schmutzig, am Boden eine Schicht aus vergossenem Wein und Dreck, ein wahrer Morast, in der Luft ein Duft von längst vergorenen Trauben. Dann kostete ich aus diesen schmuddeligen Fässern einen Wein – und der war so überaus rein, so klar und kostbar.» Wer weiss, vielleicht würde auch aus unserem Ohrendreck mit der Zeit eine saubere Sache, eine wertvolle Substanz – ein Gevrey-Chambertin aus dem Weinberg unseres Gehörgangs.

Mit der Zeit setzt sich in diesem Barbera mehr und mehr die überreife Erdbeere an die Spitze der Aromen. Dazu gesellt sich etwas Unsauberes, etwas Verdorbenes – so fein aber, dass es den Wein nicht kaputt macht, sondern ihm im Gegenteil Tiefe gibt.

Getrunken am Montag, 14. Oktober 2013 im Wasserzimmer meiner Wohnung über dem Bahnhof Tiefenbrunnen in Zürich (Schweiz). Gekauft bei «L'Enoteca Liechti Weine» in Basel (Fr. 30.80 im August 2013).

Nächste Flasche

Barbera d'Alba Superiore Matteo Correggia Marun

DOC, 2010, 14.5% Vol.

100% Barbera

Rotwein aus dem Piemont (Italien), produziert von der Azienda Agricola Matteo Correggia in Canale (auf Karte anzeigen). Laut Etikett wurden von diesem Wein 11266 Flaschen abgefüllt.

First Publication: 17-10-2013

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