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Nicht immer gelingt es, die Oliphantisse so schön zu tranchieren und zu platzieren wie hier – bei den grösseren Scheiben ist der Weg vom Schneidebrett zum Teller manchmal etwas knifflig. (Zürich, September 2014)

Oliphantisse

Fein gehackte Innereien vom Lamm, mit Reis, Kichererbsen und Kräutern in einem Lammpansen gekocht

Diese urtümliche Wurst ist nach einem schottischen Metzger benannt, der das Rezept aus seiner Heimat nach Babat gebracht haben soll. Peter Gordon Oliphant arbeitete zwischen 1940 und 1960 als Lebensmitteltechniker in dem grossen Schlachthof der Stadt. Auf der Speisekarte der «Arène des Entrailles» wird die Oliphantisse als «une sorte de Haggis lémusien» beschrieben. Der Metzger, so die Erklärung, habe Zutaten und Zubereitung den kulinarischen Verhältnissen auf Santa Lemusa angepasst – namentlich habe er das Hafermehl des Originals durch eine Mischung aus Reis und Kichererbsen ersetzt, ausserdem habe er Majoran oder manchmal auch Salbei hineingepackt, was dem Gericht eine eigenes Parfum verleihe. Uns sind noch weitere Unterschiede aufgefallen: Einmal abgesehen von den neuweltlichen Chilis und Tomaten, die man im Original vergeblich sucht, wurde uns das Haggis in Schottland immer mit einer Hülle aus Rinder-Dünndarm oder Wurstfolie serviert – hier aber kommt es in einer Kuttel vom Lamm daher, die überdies auf abenteuerliche Weise von Nähten zusammengehalten wird.

Wir sind der Sache nachgegangen und haben herausgefunden, dass Haggis ursprünglich sehr wohl mit einer Hülle aus Schafsmagen zubereitet wurde – sich die heute gängige Wursthaut also der offenbar auch in Schottland verbreiteten Abneigung gegen den immer etwas duftende Schafspansen schuldet. Ja, das Wort «Haggis» bezeichnete offenbar in früheren Zeiten nicht nur das berühmte Gericht, sondern vor allem den Schafsmagen selbst – so schreibt etwa die Webseite «The Art and Mistery of Food», die sich sehr ausführlich mit dem Thema beschäftigt: «‹Haggis›originally refered to both the sheeps rumen which was used as a casing for the pudding and to the finished pudding itself. Now that haggis are rarely made in a sheep's rumen, we only retain the latter sense of the word». Auch das berühmte Kochbuch von Robert May («Accomplisht Cook», Kapitel Sheeps Haggas Puddings), das verschiedene Haggis-Rezepte vorstellt, verwendet einen Lammmagen als Hülle: «fill the paunch, sow it up, and boil it».

Ob die ursprünglichen Haggis-Rezepte den Magen eines ausgewachsenen Schafes verwendeten, oder den eines jungen Tieres, lässt sich schwer nur sagen. Die berühmte Ode an ein Haggis des schottischen Dichters Robert Burns (1759-1796) jedenfalls spricht in den ersten zwei Strophen von einer ziemlich mächtigen Wurst: «Fair fa' your honest, sonsie face, | Great chieftain o' the puddin-race! | Aboon them a' ye tak your place, | Painch, tripe, or thairm: | Weel are ye wordy o' a grace | As lang's my arm. || The groaning trencher there ye fill, | Your hurdies like a distant hill, | Your pin wad help to mend a mill | In time o' need, | While thro' your pores the dews distil | Like amber bead.» So soll das Lob auf den «Häuptling der Puddingwelt» so lang sein wie ein Arm (wohl so lang wie der Pudding selbst), so ächzen die Schüssel unter dem Gewicht, sehen die Kurven des Haggis aus wie ein Hügel aus der Ferne etc. Bereitet man Haggis mit dem Magen eines ausgewachsenen Schafes zu, so dürfte das Resultat ein Gebilde mit einem Gewicht von wenigstens fünf bis zehn Kilogramm sein – in der Tat eine mächtige Wurst. In der «Arène des Entrailles» allerdings wird das lemusische Haggis in der Kuttel eines jungen Lamms zubereitet und bringt so nur noch etwa ein Kilogramm auf die Wage – eindrücklich sieht das Stück aber immer noch aus.

Im Grunde stellt die Oliphantisse – zumindest, was die Hülle angeht – so etwas wie ein besonders urtümliches Haggis dar: eine grobe Innereienwurst im Pansen eines Lamms. Das Rezept für die Wurst (oder wenn man so will, den ‹Pudding›) hat uns Eveline Zapatera zur Verfügung gestellt – wir servieren eine einfache Joghurt-Sauce dazu, welche die Oliphantisse etwas frischer und leichter schmecken lässt. In der Kuttelhülle bleiben die fein gehackten Eingeweide sehr saftig und nehmen die Aromen der Kräuter gut auf – aber natürlich spricht bei alledem auch immer das spezielle Aroma des Pansen ein Wörtchen mit. Getreu dem Originalrezept aus Babat kochen wir die Oliphantisse entweder mit Majoran oder mit Salbei – nie aber mit beiden Kräutern. Wir haben das Gericht auch schon mit Oregano zubereitet, was wir ebenfalls überzeugend fanden. Wir servieren diese abenteuerliche Wurst mit etwas Weissbrot und stellen meist noch einen Salat dazu.

Kochzeit 2.5 Stunden

Zutaten (für 4 Personen)

100 g Herz vom Lamm

100 g Lunge vom Lamm

2 Nieren vom Lamm (ca. 120 g)

1 Milz vom Lamm (ca. 80 g), aus der Haut gestrichen

100 g Leber vom Lamm

100 g nicht zu mageres Hackfleisch vom Lamm

120 g Kichererbsen, gekocht, leicht angedrückt

50 g Mittelkornreis (Risotto-Reis oder Arroz Bomba), unter kaltem Wasser abgespült

1 grosse Zwiebel (150 g), fein gehackt

150 g geschälte Tomaten (italienische Pelati aus der Dose), durch ein Sieb gestrichen

Zeste von 1 Zitrone, fein gehackt

20 g Majoran (oder Salbei), sehr fein gehackt

1 EL Salz 

2 TL schwarzer Pfeffer, frisch gemahlen

2 TL Chili-Flocken oder 1 frische Chili, fein gehackt

1 möglichst taschenförmiges Stück Lammkuttel (ca. 200 bis 250 g), gereinigt und leicht vorgegart

3 L Lammbrühe

3 dl Joghurt (am besten aus Schafsmilch) für die Sauce

1 EL fein gehackter Majoran 

1 EL Olivenöl

1 TL Zitronensaft 

1 knapper TL Salz

Zubereitung

  1. Herz, Nieren, Milz und Leber mit einem Messer oder Hackmesser so zerkleinern, dass das Fleisch die Konsistenz von sehr grobem Hackfleisch hat (die Stücke sollten eine Kantenlänge von 3 bis 5 mm haben).
  2. Die zerkleinerten Innereien mit Hackfleisch, Kichererbsen, Reis, Zwiebel, Pelati, Zitronenzeste, Salbei oder Majoran, Salz, Pfeffer und Chili mischen und mit der Hand zu einer möglichst homogen wirkenden Füllmasse verrühren.
  3. Diese Farce in die Lammkuttel stopfen, dabei gut in die verschiedenen Winkel hinein drücken – am besten mit den Fingern oder einem Limetten-Stössel, wie man ihn für Caipirinha etc. braucht. Öffnungen mit Nadel und Faden zunähen. Dabei entsteht ein Paket von einer etwas abenteuerlichen Form.
    Dieser Teil der Geschichte kann etwas knifflig sein. Wichtig ist, dass die Kuttel nicht zu stark vorgegart wurde, sonst reisst der Faden durch. Ev. ist es auch nötig, erst eine Tasche zu nähen, die nur noch eine Öffnung hat.
  4. Die Lammbrühe zum Kochen bringen, das Kuttel-Paket hinein heben. Die Temperatur so einstellen, dass die Brühe ganz leicht siedet. 2.5 Stunden köcheln lassen, gelegentlich sorgfältig wenden. Das Paket sollte zum grössten Teil in der Brühe schwimmen – wenn nötig etwas Wasser zugiessen.
    Während des Kochens wird das Paket voller weil sich die Zutaten mit Flüssigkeit vollsaugen.
  5. Kurz vor dem Essen die Zutaten für die Sauce (Joghurt, Majoran, Olivenöl, Zitronensaft und Salz) vermischen.
  6. Oliphantisse aus dem Wasser heben und vor dem Schneiden etwa 5 bis 10 Minuten ruhen lassen.
Mit einem Hackmesser gelingt das Zerkleinern der Innereien besonders leicht. (Zürich, September 2014)
Die fertig vermischte und gewürzte Farce, bereit für den Weg in den Pansen.
So nützlich Werkzeuge wie Stössel beim Befüllen des Pansen sind – am besten geht es doch, wenn man die Farce mit den Fingern in die verschiedenen Ausbuchtungen des Lämmermagens drückt.
Das Zunähen der Oliphantisse ist nicht ganz einfach – man darf die Nadel nicht zu nahe am Rand der Fleisches durchziehen, da dieses sonst ausreisst.
Da der Pansen verschieden dick sein kann (und also auch unterschiedlich schwer), sollte man das im Rezept angegebene Gewicht der Kutteln nur als Richtwert ansehen. Hier hatten wir zu viel Füllung uns mussten diese in ein zusätzliches Kuttelstück einnähen. (Zürich, September 2014)
Bei diesem Modell haben wir eine kleine Schleife gebunden, an der wir die Wurst aus dem Wasser gezogen haben. (Zürich, August 2014)
Obwohl die Hülle der Oliphantisse immer eine Kuttel vom Lamm ist, sieht das Resultat doch jedes Mal etwas anders aus. (Zürich, Juli 2014)
Die Wurst kocht zwei Stunden lang in einer Lammbrühe, die wir aus Lammknochen herstellen – und nach Gebrauch im Tiefkühler für den nächsten Einsatz aufbewahren.
Das Anschneiden der Oliphantisse ist immer ein besonderer Moment.
Die frisch geöffnete Wurst verströmt einen würzigen und fleischigen Duft, den man mit einigem Recht ‹archaisch› nennen kann.

First Publication: 4-10-2013

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