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Beuschel à la Zelena mit Semmelknödel. Bei diesem Versuch haben wir relativ viel Gemüse verkocht – in der letzten Version des hier vorgestellten Rezepts haben wir diese Menge wieder etwas reduziert. (September 2014)

Beuschel vom Lamm à la Zelena

Lunge, Herz und Zunge in einer braunen Sauce

Das Beuschel ist ein traditionelles Gericht der Wiener Küche, das in erster Linie aus der Lunge und je nachdem auch aus Herz, Zunge, Milz oder Niere meist vom Kalb, manchmal aber auch von Lamm, Ziege, Rind oder Schwein hergestellt wird. Ähnliche Gerichte werden auch im übrigen Österreich, in Bayern und Süddeutschland gekocht und heissen Saures Lüngerl, Lungensuppe, Lungenhaschee etc. Unter dem vor allem in Wiener Restaurants beliebten Begriff «Salonbeuschel» versteht man in der Regel ein Beuschel, das mit viel Sahne verrührt wurde.

Es gibt zahllose Rezepte – wir haben uns an eine Beschreibung zu halten versucht, die Franz Zelena in seinem famosen Buch «Die Kochkunst für herrschaftliche und bürgerliche Tafeln oder allerneuestes Österreichisches Kochbuch» gibt. Das Werk erschien 1828, also 14 Jahre nach dem Wiener Kongress. Frankreich war damals in Sachen Esskultur noch immer die Latte, nach der man sich streckte – deshalb sind sämtliche Rezepte in dem Buch auch mit französischen Titeln versehen. Ein Exemplar befindet sich im Besitz von Kurt Kladler, der es in seiner grossen Wiener Kochbuchbibliothek bewahrt – er hat uns freundlicherweise Einsicht nehmen lassen.

Hier die Beschreibung von Zelena: «Das Kalbsbäuschel oder die Lunge auf gewöhnliche Art (Mou de veau à la bourgeoise.) – Es wird in einer ordinairen Suppe weich gesotten, dann ausgekühlt, fein nudelweise geschnitten. Einstweilen lässt man 1 Kochlöffel voll Mehl mit 1 Stück Butter oder Schmalz bräunlich anlaufen und verschäumen, gibt 1/2 fein geschnittene spanische Zwiebel darein, rührt es fein mit Rindersuppe ab, und lässt es gut versieden. Nun gibt man das geschnittene Bäuschel darein, salzt und pfeffert es ein wenig, und lässt es fertig kochen, worauf man es noch mit versottenem Essig säuert.»

Wir bereiten unser Beuschel zwar aus Lamm zu, halten uns aber sonst so eng wie möglich an die Beschreibung von Zelena. Man kann die Lammstücke in unserem Rezept aber natürlich auch problemlos (und dem Originalrezept gehorchend) durch entsprechende Teile vom Kalb ersetzen. Zum Beuschel servieren wir einfache Semmelknödel.

Kochzeit 90 Minuten

Zutaten (für 4 Personen)

1 Lunge vom Lamm (ca. 700 g)

300 g Herz vom Lamm

1 Zunge vom Lamm (ca. 100 g)

1 kleiner Knollensellerie (ca. 150 g), geschält (100 g) in zwei grossen Stücken

1 Karotte (ca. 100 g), mit Schale in zwei grossen Stücken

1 Zwiebel (ca. 100 g), mit der Schale, ganz

1 EL Salz

3 Lorbeerblätter

1 TL schwarzer Pfeffer, ganz

40 g Butter (oder ev. 2 EL eines hoch erhitzbares Pflanzenfett wie Sonnenblumenöl).

40 g Mehl

Zwiebel (ca.100 g), fein gehackt

2 TL schwarzer Pfeffer, frisch gemahlen

Salz zum Abschmecken

ev. etwas Balsamico-Essig zum Abschmecken

ev. 150 g fein gewürfelte Cornichons

ev. 50 Chilis aus dem Essig

Zubereitung

  1. Lunge, Herz und Zunge gut wässern. Lunge einritzen oder einstechen damit sie den Sud besser aufnimmt. Fleisch mit 2.5 L Wasser kalt aufstellen, zum Kochen bringen. Den gräulichen Schaum abschöpfen, der alsbald aufsteigt.
    Wir geben das Gemüse erst nach dem ersten Aufkochen in den Topf weil sich der Schaum so etwas leichter Abschöpfen lässt.
  2. Knollensellerie, Karotte, Zwiebel, Salz, Lorbeerblätter und Pfeffer beigeben und alles 30 Minuten köcheln lassen.
    Lungen neigen dazu, weit aus dem Kochwasser heraus zu ragen. Man kann sie entweder mit Hilfe eines Tellers und vielleicht auch noch eines schweren Topfes unter Wasser halten – oder aber man dreht sie immer wieder mal um.
  3. Lunge aus dem Topf nehmen. Herz, Zunge und Gemüse weitere 15 Minuten köcheln lassen.
  4. Alles Fleisch und Gemüse aus dem Topf heben und abkühlen lassen. Die ganze Zwiebel aufschneiden und wieder zum Sud in den Topf geben, etwas auseinanderdrücken. Sud aufkochen und etwa 5 bis 10 Minuten heftig brodeln lassen bis nur noch etwa 1 Liter Flüssigkeit übrig ist. Abgiessen und abkühlen lassen.
    Wir kochen die Zwiebel im Sud aus, damit sie ihr ganzes Aroma an die Flüssigkeit abgibt – und auch weil wir sie sonst nicht mehr brauchen.
  5. Die Lunge der Trachea entlang aufschneiden und die grosse Luftröhre entfernen. Fleisch in dünne Blätter, dann in Streifen schneiden. Wir entfernen dabei auch die gröbsten Verästelungen.
    Pariert bleiben etwa 600 g Lunge übrig, das heisst etwa 100 g haben wir als Abfall weggeschnitten.
  6. Herz von allen fetten Stellen befreien, in Scheiben und dann in Streifen schneiden. Zunge schälen, in Scheiben und dann in Streifen schneiden. Karottenstücke und Sellerie sehr fein würfeln.
  7. In einem grösseren Topf die Butter schmelzen, Mehl beigeben und unter ständigem Rühren während 5 bis 10 Minuten leicht bräunlich werden lassen. 1 Liter von dem Sud angiessen, mit einem Schneebesen glatt rühren und aufkochen lassen.
    Will man ein dunkleres Beuschel kochen, dann muss man die Mehlschwitze stärker bräunen. In diesem Fall empfiehlt es sich aber, die Butter, die etwa bei 120º braun wird, durch ein wasserarmes Fett zu ersetzen, das erst bei einer höheren Temperatur verbrennt (je nach Fett 180º und sogar etwas mehr). Das Beuschel bekommt so eine markante Röstnote und schmeckt insgesamt etwas kräftiger und dunkler.
  8. Die fein gehackte Zwiebel, den gemahlenen Pfeffer sowie das ganze Fleisch und Gemüse einrühren, aufkochen lassen. Hitze auf ein Minimum reduzieren und halb zugedeckt 30 bis 45 Minuten köcheln lassen.
    Bis zu diesem Punkt kann man das Beuschel auch Stunden vor dem Essen schon zubereiten – und wärmt es dann einfach nochmals auf.
  9. Wenn nötig mit Salz abschmecken und wenn erwünscht mit etwas Balsamico-Essig säuern.
    Uns schmeckt das Beuschel auch ohne Essig sehr gut. Wenn man das Gericht jedoch ganz nach Franz Zelena zubereiten will, dann muss etwas «versottener Essig» hinein – und das ist unserer Ansicht nach wahrscheinlich ein Essig, der aus einem durch Kochen eingedickten Most hergestellt wurde, also so etwas wie ein Aceto Balsamico. Es ist wahrscheinlich, dass Zelena dem Beuschel auch Essig beigibt, um es über den Tag hinaus haltbar zu machen – aber heute haben wir ja Kühlschränke und notfalls sogar Tiefkühltruhen.
    Alternativ kann man das Beuschel auch mit fein gewürfelten Cornichons und Essig-Chilis sauer abschmecken, so wirkt es etwas frischer und ist je nachdem auch ziemlich scharf. Wir kochen die Cornichons und Chilis etwa 15 Minuten mit.

Das Beuschel ist ein ziemlich stabiles Gericht, das auch längere Kochzeiten klaglos erträgt und mehrfach aufgewärmt werden kann – unter Umständen allerdings muss man dann und wann etwas Flüssigkeit zugeben.

Im «Haas Beisl» an Margaretenstrasse in Wien schaut einen der Beuschel-Teller an wie ein Wesen aus einem anderen Sternensystem. Das Beuschel ist hier sehr fein gehackt und kommt an einer mässig sauren, dicklichen und etwas fettigen Sauce daher. (September 2013)
Das schöne Gasthaus «Stern» an der Braunhubergasse in Wien Simmering hat verschiedene Innereien auf der Karte. Das «Beuschel vom Bio-Kalb» wird mit relativ wenig Sauce und nur leicht gesäuert serviert, das Fleisch hat noch deutlich Struktur. (März 2014)
Das Rezept aus Seite 188 von Franz Zelenas «Die Kochkunst für herrschaftliche und bürgerliche Tafeln oder allerneuestes Österreichisches Kochbuch» aus dem Jahre 1828. (Wien, Mai 2014)
Wir ritzen die Lungenstücke ein, damit sie den Sud besser aufnehmen – um die Ritzen besser sichtbar zu machen, haben wir das Fleisch kurz in heisses Wasser getaucht. (Zürich, September 2014)
Kaum kocht das Wasser mit dem Fleisch, steigt ein bräunlich-gräulicher Schaum auf, den wir mit einem Löffel oder Schaumlöffel entfernen – bevor wir dann Gemüse und Gewürze in den Topf geben.
Lungen neigen dazu, weit aus dem Kochwasser heraus zu ragen. Hier halten wir sie mit Hilfe eines Tellers und eines mit Wasser gefüllten Topfes in Schach – es reicht aber auch, wenn man die Stücke öfters wendet.
Die gräuliche Farbe, die das gekochte Fleisch teilweise hat, ist in der fertigen Speise dann nicht mehr sichtbar. Wir schneiden die Lunge in feine Tranchen, entfernen die gröbsten Verästelungen der Trachea und zerlegen die Scheiben dann in feine Stäbchen.
Für den Geschmack des Beuschels ist auch die Art der Mehlschwitze sehr wichtig. Hier haben wir mit Butter eine relativ helle Einbrenne hergestellt, die dem fertigen Gericht eine cremige Milde gibt – und sich besonders gut mit säuernden Zutaten verbindet.
Diese Mehlschwitze haben wir mit Sonnenblumenöl hergestellt. Sie ist deutlich dunkler und verleiht dem Beuschel markante Röstnoten und ein kräftiges, eher dunkles Aroma.
Das Beuschel ist ein ziemlich stabiles Gericht, das auch längere Kochzeiten klaglos erträgt und mehrfach aufgewärmt werden kann. Diesen Topf hier haben wir aus Versehen eine ganze Stunde zu lange auf kleinem Feuer gehalten – mit einem Deckel allerdings, der Kondenswasser wieder ins Gargut zurücktropfen lässt.
Wir haben unser Beuschel bisher immer aus Lunge vom Lamm zubereitet – einfach weil wir ein paar Kilo davon in unserer Gefriertruhe hatten und sich Kalbslunge in der deutschen Schweiz kaum auftreiben lässt. Zweifellose lässt sich das Lamm auch durch Kalb ersetzen – so wie es in Zelenas Originalrezept vorgesehen ist.
Gibt man gegen Ende der Kochzeit fein gewürfelte Cornichons und Essig-Chilis zu, schmeckt das Beuschel frischer und mitunter scharf – damit hat man Franz Zelenas Beuschel-Pfad dann allerdings verlassen.

First Publication: 21-9-2014

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