Ein leichter Nieselregen – gerade so, dass man nicht recht weiss, ob man seinen Schirm nun aufspannen soll oder nicht. Links eine lange Mauer, grauer Beton, mit Wasserflecken wie Kuheuter, dann und wann eine Efeuranke. Rechts eine Reihe von Häusern mit Gardinen, die nie zur Seite geschoben werden. In weiss markierten Feldern stehen Autos, auf Lack und Scheiben Wasserstreusel. Eine Stadtbus der Linie 108 rollt vorbei, auf der drittletzten Bank sitzt eine Frau von sechzig Jahren – ihr bleiches Gesicht leuchtet wie ein Mond aus der dunklen Leere des Wagens. Der Motor ist kaum zu hören, nur das leise zischende Rollen der Gummiräder. Die Reifen hinterlassen eine Spur im wässrig-öligen Film der Strasse, die jedoch schnell verblasst – ganz als sei es der Blick selbst, der sie zum Verschwinden bringt. Jetzt hören wir unsere Schritte, ein sanftes Schmatzen auf dem Gehsteig – und das feine Knirschen unserer Windjacke, deren Ärmel regelmässig mit einem leisen Zischen an unserem Körper vorbeiwischen. Unser Mund atmet den Hauch eines Dunstes aus. Keine weisse Wolke, dafür ist es nicht kalt genug. Eher eine flüchtige Trübung der Atmosphäre, die eine kaum merkliche Unschärfe provoziert – so wie man sie im Luftraum über einer Kerzenflamme wahrnehmen kann. In der Rinne zwischen Gehsteig und Strasse liegen ein paar Ahorn-Blätter und feinste Zweige, die von den Bäumen hinter der Mauer herabgeweht wurden – glitzernd feucht kleben sie aneinander fest. Ihr Schweiss rinnt uns in die Augen, es brennt, wir stehen auf und während wir uns im Bad unseres Hotelzimmers etwas Wasser ins Gesicht spritzen, blendet sich langsam der Lärm von draussen in unser Gehör – ein Hupen, Klingeln, Hämmern, Scheppern und Quietschen, knatternde Motoren, aufgeregte Stimmen und dann und wann das glucksende Lachen einer Möwe.
First Publication: 5-6-2013
Modifications: 22-6-2013