Sandwich mit Rindersteak, Rohschinken, Zwiebel, Lattich, Tomate und Chimichurri-Sauce – ein Rezept zu Peter Polters Episoda 130304 Colonia del Sacramento
Das Nationalgericht von Uruguay heisst Chivito und ist ein Sandwich mit Rindfleisch. Chivito ist das Diminutiv von chivo, einem spanischen Wort für «Ziege». Ist in Argentinien von Chivito die Rede, dann ist damit meist das gegrillte Fleisch einer adoleszenten Ziege gemeint. Eine in zahllosen Versionen erzählte Legende will, dass in den 1960er Jahren ein Gast aus Argentinien ein Restaurant im uruguayischen Küstenort Punta del Este betrat und dort ein Sandwich mit Chivito bestellte – mit gegrilltem Ziegenfleisch also, wie er es aus seiner Heimat gewohnt war. In Uruguay aber werden hauptsächlich Rinder gezüchtet – und der Patron des Lokals hatte also auch kein Ziegenfleisch zur Hand. Statt dessen briet er deshalb ein dünnes Rindersteak und packte es mit Tomate, Lattich und einer Sauce (wahrscheinlich Mayonnaise) in ein frisches Brötchen. Und schon war es geboren, das uruguayische Chivito. Die Geschichte vom Ursprung des Chivito gibt wohl nicht eben den Stoff für eine heroische Oper ab – wie das Sandwich trotzdem zur Nationalspeise avancieren konnte, wissen wir nicht. Fest steht, dass es heute an allen Ecken und Enden von Uruguay angeboten wird – in zahllosen Varianten natürlich. Oft versuchen sich die verschiedenen Chivito-Lokale dadurch zu profilieren, dass sie besonders viel Fleisch und andere Zutaten in die Brötchen packen – so, wie das nun einmal der südamerikanischen Neigung zur Üppigkeit entspricht.
Im September 2008 wurde in Colonia del Sacramento im Rahmen des Festivals «Colonia está en tu plato» der mutmasslich grösste Chivito der Welt hergestellt – ein Monster von mehren Metern Länge, in das man 20 kg Rindfleisch, 5 kg Mayonnaise und 200 Köpfe Lattich einarbeitete («El País» vom 10. September 2008).
Die meisten Chivitos werden an einfacheren Imbiss-Ständen, in Grill-Buden oder kleinen Lokalen am Strassenrand zubereitet und kosten in der Regel nicht viel. Es gibt aber auch einzelne Restaurants, die Chivito anbieten – dann allerdings meist in Form eines Tellergerichts, als Chivito al plato, was natürlich auch den etwas höheren Preis rechtfertigen soll. Aus einem ähnlichen Grund packen viele Restaurants auch zahllose Zutaten mehr oder weniger luxuriöser Natur in ihre Chivitos. Aber natürlich ist mehr nicht unbedingt besser.
Ein relativ einfaches Chivito bietet hingegen das Restaurant «Walther's» an – ein schönes, im Parterre eines alten Wohnhauses eingerichtetes Lokal an der Julio Herrera y Obes im Zentrum von Montevideo. Die Hülle von «Walther's» Chivito besteht aus zwei knusprigen Scheiben eines flachen Brotes, das ein wenig an Focaccia erinnert. Dazwischen liegen ein dünnes, rosa gegrilltes Rindersteak, eine knusprig gebratene Scheibe Bacon und ein paar leicht karamellisierte Zwiebelringe, Lattich, Tomate, Cheddar-Sauce und Dijon-Senf. Uns gefiel dieses relativ einfache Chivito gut und wir haben es zur Grundlage unseres eigenen Rezepts gemacht.
Oft werden die Steaks für Chivito halbiert und dann weich geklopft, bis sie in etwa die Dimension eines dünnen Hamburgers haben. Das hat natürlich den Vorteil, dass sich die Zähne leicht durch das Fleisch fräsen können – und man das Sandwich also ohne unschöne Zwischenfälle geniessen kann. Wird der Chivito indes, wie im «Walther's», auf einem Teller serviert, dann kann man meist auch Messer und Gabel zu Hilfe nehmen – das Rindersteak darf also auch etwas dicker sein und kann folglich einen rosa Kern bewahren, was den Flavour des Fleisches natürlich verbessert. Im «Walther's» gab es ein mini entrecot, was im Schweizer Fleischschnitt einem Steak aus der Mitte des Roastbeefs (Nierstücks) entspricht. Man kann auch andere Teile aus dem Nierstück, ebenso Huft oder natürlich sogar Filet nehmen – jedenfalls sollte es ein Stück sein, dass nur kurz gebraten werden muss.
Bei der Sauce sind wir dem Vorbild aus dem «Walther's» deutlich abgewichen – obwohl die Cheddar-Senf-Mischung nicht schlecht war. ‹Original› wird Chivito mit Mayonnaise zubereitet – vielerorts bekommt man es aber auch mit Chimichurri, was etwas leichter und würziger schmeckt. Wir schlagen deshalb hier ein Chivito-Rezept mit Chimichurri-Sauce vor. Die Chimichurri-Sauce hat ihren Ursprung in Argentinien, ist aber auch in Uruguay sehr populär. Es gibt sie auch bei uns in Mitteleuropa fertig zu kaufen – sie lässt sich aber auch ganz einfach selbst herstellen. Das Aroma kann dann natürlich auch auf die jeweilige Verwendung abgestimmt werden.
Bei einer berühmten Sauce wie Chimichurri gibt es selbstverständlich zahllose Varianten – sie unterscheiden sich ein bisschen bei den Zutaten, vor allem aber in einem grundsätzlichen Punkt: Während die einen auf eine möglichst frische Zubereitung der Sauce pochen, soll sie für andere wenigstens zwei Wochen ziehen können. Wir geben hier das Rezept für eine Sauce wieder, die unsere Meinung nach frisch am besten schmeckt – aber natürlich auch ein paar Tage im Kühlschrank nachziehen kann, ohne ihren ganzen Charme zu verlieren.
Bevor wir dieses Rezept erarbeitet haben, waren wir wahrlich keine Sandwich-Fans. Diese Art von Speise schien uns zwar als Zwischenmalzeit tauglich, unter einem richtigen Essen aber stellten wir uns etwas anderes vor. Wir haben indes erfahren, dass so ein Sandwich kulinarisch etwas leisten kann, das sich sonst nur mit deutlichen grösserem Aufwand herstellen lässt – ein reiches Spektrum an Texturen nämlich, die organisch und irgendwie logisch aufeinander treffen. Schon als wir unser Chivito zum ersten Mal assen, waren wir begeistert von dieser (das etwas abgefiedelte Wort sei uns für einmal erlaubt) Symphonie aus knackigem Brot, grünfrischem Lattich, saftig fleischigem Steak, den Kompott-Noten der Tomate, dem Karamell der Zwiebel und dem knusprigen Speck. Zusammengehalten wird alles von einer Sauce, die leicht scharf und angenehm sauer schmeckt, mit einem morgendlich, grasigen Kräuteraroma, das im Nachhall ganz von der blumigen Sommerwiesen-Süsse des Majoran dominiert wird. Das Majoran-Parfum erinnert uns hier auch ein wenig an frisch mit Seife gewaschene Haut oder Kleider.
Kochzeit 10 Minuten
3 Zehen Knoblauch, sehr fein gehackt (15 g)
½ Zwiebel sehr fein gehackt (50 g)
1 Sträusschen flache Petersilie, fein gehackt (ca. 25 g)
10 Zweiglein frischer Majoran (10 g), fein gehackt
1 TL schwarzer Pfeffer
2 TL Paprika-Flocken (zum Beispiel Papok aus Santa Lemusa)
1 knapper TL Salz
3 EL Rotweinessig (sauer, also kein Balsamico)
6 EL Olivenöl
2 gut 100 g schwere Rindersteaks - zum Beispiel Stücke aus dem Roastbeef oder der Huft
4 nicht zu dünne (ca. 2 mm) Scheiben Bratspeck (ca. 60 g)
6 nicht zu feine Scheiben (Ringe) Zwiebel (ca. 2 mm dick)
1 EL Olivenöl für das Anbraten des Fleisches
Salz und Pfeffer für das Fleisch
4 schöne Blätter Lattich
4 gut 5 mm dicke Scheiben Tomate
2 Brötchen von je gut 100 g, mit einer schönen Kruste und einem eher weichen und weissen Inneren (ohne Samen, Kerne etc.), horizontal halbiert
First Publication: 23-5-2013
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