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Gottes Brennerei

Ilha Grande (Brazil) Caxadaço
Wald über der Bucht von Caxadaço
Sonntag, 13. Januar 2013

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Im Januar riecht es in gewissen Abschnitten des Regenwalds auf der Ilha Grande vor allem nach Schnaps. Mal steigt einem der Duft eines fein exotischen Fruchtbrands in die Nase, dann wiederum scheint beim Brennen etwas schief gegangen, kippt das Süssliche ins Faulige. Gelegentlich fühlt man sich an ein experimentelles Cocktail erinnert, dann wiederum glaubt man ein Glas mit Alkoholresten vom Vortag zu riechen, mal wird mit Schnaps flambiert, dann wurde er durch die Nasenlöcher heraus gekotzt. Man kommt sich vor wie in Gottes grosser Schnapsbrennerei mit angegliederter Taverne, wo vom kultivierten Schlückchen bis zum brutalen Exzess alle Spielarten des Alkohols durchdekliniert werden. Das liköröse Panolfaktorium verdankt sich den Jackfrüchten, die ihre volle Reife erreicht haben, in diesen Tagen zu Tausenden von den Bäumen fallen und meist so gross und schwer sind, das man nicht im falschen Moment am falschen Ort stehen möchte. Einmal zerschellt, machen sich Insekten aller Art, Vögel und sonstige Waldbewohner über die süssen Früchte her, die in allen möglichen Verwesungszuständen auf dem Waldboden herumliegen, verschimmelt oder eher eingetrocknet, verfault, leuchtend weiss, metallisch grau oder schwarz. Wo sie nicht zu Boden fallen, werden die Früchte von den verschiedensten Tieren noch am Baum aufgefräst. Mit erstaunlicher Präzision schneiden Schnäbel oder Krallen kreisrunde Löcher oder Rauten, Schnitze und Dreiecke in die Haut der Früchte – ganz als gälte es deren Schönheit nicht durch ein unsystematisches Herumsäbeln zu zerstören. Einen so aufdringlichen Stinkezauber führen nur wenige Früchte auf, um sich zu reproduzieren – oder auf jeden Fall bemerken wir es bei den kleineren Brüdern und Schwestern der Jackfrucht nicht im gleichen Mass. Und offenbar hilft es auch hier, zu klotzen statt zu kleckern: jedenfalls hat Artocarpus heterophyllus in den indischen Westghats ihren Ursprung – und heute muss man sich in Brasiliens Küstenwäldern in Acht nehmen, nicht von ihr erschlagen zu werden.

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First Publication: 28-6-2013

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