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Magnificat

Periyar Tiger Reserve (India)
Mullaperiyar Reservoir
Freitag, 28. Dezember 2012 

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So gross ist der Unterschied nicht. Wenn wir Affen zusehen, dann erkennen wir viel von uns selbst in ihnen wieder, in ihrem Benehmen, ihrer Neugier, ihren Gesichtern. Affen sind eine Karikatur des Menschengeschlechts – was natürlich eine sehr anthropozentrische Sicht der Dinge ist. Gut möglich, dass die Affen das genau umgekehrt sehen. Wir können uns leicht in so eine Affenhaut stecken, die Karikatur unserer selbst ist in uns angelegt.

Also setzen wir uns auf einen Baum, schürzen die Lippen, stülpen den Bauch heraus, drücken mit dem Zwerchfell Luft durch unseren Hals und lassen ein «Uhuh Uhuh» durch die Baumkronen hallen, das meilenweit zu hören ist. Vielleicht rufen wir mit diesem Laut unsere Horde zur Ordnung, vielleicht locken wir damit ein Weibchen auf unseren Schoss. Vielleicht aber hat das «Uhuh Uhuh» auch gar nichts weiter zu bedeuten.

Bach hat sein «Magnificat» mit dem Ziel geschrieben, Gott im Himmel zu preisen, zu feiern, zu magnifizieren. Auch wenn man nicht an Gott glaubt, so muss man ihm doch dankbar sein, dass er dem Komponisten einen solchen Vorwand geliefert hat, dass er Anlass zu solch überirdischen Tönen war. Musik gibt dem Menschen das Gefühl, mehr zu sein als er ist. Sie lockt die Ahnung in seine Brust, dass etwas Höheres in ihm steckt oder an ihm wirkt. An die Karikatur in uns, an diesen kichernden Schatten, der mit uns durchs Leben gleitet, denken wir kaum wenn ein «Magnificat» uns erfüllt.

Ist das «Uhuh Uhuh» des Affen sein «Magnificat»? Pumpt er es durch die Blätter mit dem Ziel, das Höhere zu fühlen? Oder ist der Affe einfach, was er ist? Ein Tier, dem es nichts ausmacht, dass die Zeit verstreicht, dass es jeden Abend in sein Tagebuch schreiben muss: «Heute nichts besonderes vorgefallen»? Wenn Zoologen über Tiere sprechen, dann hat man das Gefühl, die Kreaturen seien permanent in einen sinnhaften Überlebenszusammenhang eingespannt, ein 24-Stunden-Programm mit den Schwerpunkten Ernährung und Reproduktion. Aber hat im Leben eines Affen alles einen Zweck?

Gerne stellen wir uns vor, der Affe sitze in süsser Träumerei auf seinem Ast, in Gedanken jenseits aller Verpflichtungen und ohne das Gefühl, etwas zu verpassen, eigentlich die Zeit sinnvoll nutzen oder sich wenigstens zerstreuen zu müssen. Das schiere Dasein im Jetzt, magnificat anima mea momentum: «Uhuh Uhuh». Für mehr als das, was wir sind, hat es auf diesem Ast keinen Platz.

Es passt wohl, dass wir diesen Zustand, den wir sosehr fürchten wie wir ihn ersehnen, mit der Karikatur unserer selbst verknüpfen, an unseren inneren Hofnarren delegieren. Doch wie gesagt, so gross ist der Unterschied nicht: «Uhuh Uhuh» – et nunc et semper et in saecula saeculorum.

Siehe auch

  • Ein Rezept zur Episoda: Sambar aus Kumily (In Straucherbsensud geschmortes Gemüse mit Tamarinde)
  • Episoda – eine Sendung für Santa Lemusa (Einführung)
  • Biographie von Peter Polter

First Publication: 1-1-2013

Modifications: 23-6-2013