D | E | F

Logbuch der «PS Narina»

Tag 5

Luft- / Wassertemperatur: 12°C (5°C nachts) / 11°C

Windrichtung / Bft: Nord / 1

Gebiet: LACUS DOLIORUM (geringer Tiefgang) – Seekarte der Reise

Kombüse: Regenbogenforelle (300 g) ausnehmen, Kiemen entfernen, abspülen, trocken tupfen. Fisch innen und aussen salzen und pfeffern, mit etwas Zitronensaft bestreichen, in Mehl wenden, gut abklopfen. Öl auf mittlere Hitze erwärmen, Fisch je 5 Minuten pro Seite braten, auf Teller anrichten. Fett abgiessen, Pfanne mit Küchenpapier auswischen, etwas Butter in Pfanne geben, fein gehackte Petersilie kurz darin schwenken, etwas Zitronensaft zugeben, Sauce über Fisch verteilen. Mit geschälten Zitronenscheiben dekorieren. (Weitere Rezepte vom Smut der «PS Narina»)

Beobachtungen

Als ich heute früh aufwachte, rieselte ein ganz leichter Regen auf das Deck über meiner Koje. Ich schloss nochmals schnell die Augen und stellte mir vor, ich sei ein Schokoladekuchen, der mit Puderzucker bestreut wird. Ich schlief kurz ein und glitt mit blossen Füssen durch den Pulverschnee. Als ich wenig später an Deck trat, war die Welt wie weg gewischt. Von einem kaum spürbaren Wind angetrieben, glitten wir langsam durch dichten Nebel – dann und wann traten schemenhaft Felsbrocken aus dem Nichts hervor, nur um gleich wieder verschluckt zu werden. Innerhalb von Sekunden hatte sich ein feiner Wasserfilm auf meine Haut gelegt – das fühlte sich an als würde auch ich mich mit der Zeit im Nebel auflösen.

Ich erinnerte mich an die Geschichte von ein paar Wikingern, die ihren heimatlichen Fjord im hohen Norden verlassen, um im Heiligen Land an den Kreuzzügen teilzunehmen. Nach einer turbulenten Nacht auf hoher See, in der ihr Boot von wütenden Winden und Wellen stark beschädigt wird und ihr Glaube an den Christengott heftig mit der Furcht vor Odin zu ringen hat, gleiten sie ohne Wind in einen dichten Morgennebel hinein. Nach Stunden sehen sie endlich ein Ufer. Überzeugt, im Heiligen Land angelangt zu sein, machen sie sich bereit für den Kampf mit den Ungläubigen. Langsam fahren sie in eine langgezogene Bucht ohne sichtbares Ende ein. Allmählich lichtet sich der Nebel ein wenig und die Wikinger beginnen, sich die seltsame Exotik der Uferlandschaft gegenseitig zu beschreiben. Sie stellen sich die Dörfer und Städte der Ungläubigen vor, die sich gleich hinter den Bäumen verbergen müssen – und beratschlagen die Schwerttechniken, mit denen die feindlichen Ungeheuer am besten zu töten seien. Endlich sehen sie Bewegung am Ufer, landen das Boot mit grösster Vorsicht, schleichen durch das dunstfeuchte Ufergras und stürzen schliesslich mit Gebrüll in ein Dorf, wo sie Sekunden später mit erhobenem Schwert erstarren – empfangen von den leicht verschlafenen und ziemlich erstaunten Augen ihrer eigenen Ehefrauen und Kinder.

Nicht alle Wikinger waren grossartige Seefahrer– und doch haben es einige vielleicht sogar über den Atlantik geschafft.

Nächster Tag (6)

First Publication: 30-11-2012

Modifications: 16-12-2012, 10-11-2014