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Logbuch der «PS Narina»

Tag 1

Luft- / Wassertemperatur: 21°C (14°C nachts) / 19°C

Windrichtung / Bft: Westnordwest / 1-2

Gebiet: WENKENPARK RIEHEN (Trauerweiden und Jauchzer) – Seekarte der Reise

Kombüse: Froschwels (400 g) ausnehmen und filetieren. 20 g getrocknete Morcheln gemäss Packung einweichen, ausspülen und grössere Exemplare halbieren. 1 gehäufter EL Butter in einer Pfanne erwärmen, 3 EL Mehl kurz darin anschwitzen. Mit 4 dl Hühnerbrühe ablöschen, 1 EL Zitronensaft und etwas Zitronenzeste beigeben und alles unter ständigem Rühren mit einem Schwingbesen zu einer Sauce eindicken lassen. Mit 3 EL trockenem Weisswein, ½ TL weisser Pfeffer, 1 Prise Salz und weiterem Zitronensaft sorgfältig abschmecken bis das richtige Verhältnis von Säure, Bitterkeit und Gerbstoffgehalt erreicht ist. Morcheln in die Sauce geben und warm werden lassen. Froschwels-Filets leicht salzen und pfeffern, in etwas Öl knusprig braten und in die Sauce geben. Sauce in vier im Ofen erwärmte Blätterteigpastetchen füllen. Mit Broccoli-Rosetten servieren. (Weitere Rezepte vom Smut der «PS Narina»)

Beobachtungen

Nun sind wir unterwegs. Es war nicht wie einst bei der «Normandie» oder der «Titanic» – kein Feuerwerk zum Abschied und keine Blasmusik, ja nicht einmal ein paar lumpige Papierschlangen oder Konfetti. Das Ablegen war eher eine Ablegung – jedenfalls war es kein bewusster Akt, nichts mit Gestaltung, vielmehr ist es uns einfach passiert. So wie uns ja auch die eigene Geburt einfach passiert – ein heftiger Ruck und wir sind on the road. Allerdings war der Ruck in unserem Fall so arg, dass es uns sämtliche Teller und Gläser aus dem Schrank gerissen hat. Das passiert bei Geburten nur selten. Die Gläser sind aus Plastik, zum Glück – die meisten Teller aber sind hin, ein einziger nur hat die Ablegung überlebt. Man kann sich natürlich fragen, ob denn ein einzelner Mensch überhaupt mehr braucht als einen einzelnen Teller – vor allem auf einem Schiff, wo plötzlicher Besuch ja doch eher selten ist.

Wenn ich «wir» schreibe, obwohl ich als einziger Mensch auf diesem Papierboot sitze, dann weil ich nicht ganz allein bin. Kurz nach der Ablegung nämlich, noch während ich die Scherben vom Boden aufhob, marschierte sie erstmals durch das dichte Haar auf meinem linken Unterarm: eine grosse schwarze Ameise, die wahrscheinlich aus Versehen mit an Bord gegangen war. Und eben habe ich sie auf meinem rechten Handrücken wieder gesehen – wenn es denn das gleiche Tierchen war, Ameisen sind für unseren Menschenblick ja nicht übertrieben individuell. Doch, so lange ich nicht plötzlich zwei Ameisen sehe, gehe ich davon aus, dass nur eine mit an Bord gegangen ist. Ich habe mir einen Moment lang überlegt, ob etwas, das auf mir herumkrabbelt, aus einem «Ich» ein «Wir» machen kann. Dann aber habe ich der Ameise den Namen Oskar gegeben – und das hat die Frage beantwortet. Meinen eigenen Namen brauche ich hier nicht zu nennen – «Ich» bin einfach «Ich» (das wollte ich immer schon einmal schreiben und jetzt hindert mich nichts daran). Die Gefahr, dass mich Oskar mit meinem Namen ansprechen möchte, ist relativ gering – und ich selbst spreche mich prinzipiell nicht an, ich rede einfach los. Braucht, wer alleine unterwegs ist, überhaupt einen Namen?

Nächster Tag (2)

First Publication: 17-8-2012

Modifications: 30-11-2012, 4-12-2012, 24-3-2013, 10-11-2014