Schweineragout mit Bambussprossen – ein Rezept zu Peter Polters Episoda 120321 Kohima Market
Das Nagaland gehört zu den östlichsten Provinzen Indiens und liegt unmittelbar an der Grenze zu Burma (Myanmar). Wer die oft dunstverhangenen Hügel bereist, in denen die verschiedenen Stämme der Naga wohnen, bekommt immer wieder ein Gericht vorgesetzt, das je nach Küche: «Naga Style Pork» oder «Pork with Bamboo Shoot» heisst. Je nach Koch kann dieses Gericht einen ziemlich anderen Flavour haben – auch ist es mal höllisch scharf, mal eher mild, mal butterzart oder ziemlich zäh. Immer aber eignet dem Ragout ein ganz spezielles Aroma, das – wie wir nach einigen Malzeiten herausgefunden haben – in erster Linie von den Bambussprossen her kommt, mit denen das Fleisch gekocht wird.
Beim Versuch, das Gericht in der Schweiz nachzukochen, haben wir natürlich zuerst frische Bambussprossen verwendet. Solche sind in Mitteleuropa zwar sehr teuer, werden aber in Asia-Supermärkten relativ regelmässig angeboten. Das Resultat war annehmbar – der leicht medizinische, an die Luft in einer Apotheke erinnernde Duft aber, den wir aus dem Nagaland kannten, hatte das Schwein mit den frischen Bambussprossen nicht. Wir fanden heraus, dass sich dieses Aroma nur mit eingelegten Bambussprossen herstellen lässt, wie sie in jedem Asia-Markt für wenig Geld angeboten werden. Das beste Resultat haben wir mit ganzen Spitzen junger Bambussprossen erzielt, die mit einigem Saft in Plastikbeuteln verkauft werden. Es gibt zahllose Marken und sie alle verströmen schon beim Öffnen des Beutels genau jenen Duft, der – wenn auch in stärker eingebundener Form – das Aroma des «Naga Style Pork» hauptsächlich bestimmt. Einen ähnlichen Odeur verströmen übrigens auch die gedünsteten und wahrscheinlich zuvor leicht fermentierten Bambussprossen, die auf den Märkten von Kohima oder Dimapur in Plastikbeuteln angeboten werden.
An zweiter Stelle wird das Aroma des «Naga Style Pork» von dem speziellen Chili bestimmt, der hier verwendet wird: Naga Jolokia gilt nicht nur als der schärfste Chili der Welt, er hat auch ein spezielles Aroma, das unter anderem auf die Familie zurückzuführen ist (Capsicum chinense). Vor Ort bekommt man diesen Chili ausserhalb der Ernte-Saison entweder getrocknet oder in geräucherter Form. Wir verwenden hier aus aromatischen Gründen einen geräucherten Chili. Ausserhalb des nordwestlichen Indiens ist Bhut Jolokia nicht leicht zu bekommen – man kann sich aber mit ein paar Chipotles (geräucherten Jalapeños) behelfen oder, wenn man auf das Raucharoma verzichten will, auch gewöhnlichere Chili's verwenden. Hat man indes das Original vor sich, sollte man vorsichtig vorgehen – einzelne dieser Chilis sind zwar Blindgänger und geben tatsächlich viel weniger Schärfe ab als ihr Ruf. Es kann aber auch gut sein, dass man einen echten Teufel erwischt. Auf jeden Fall empfiehlt es sich, den Chili mit Handschuhen zu verarbeiten und lieber zu wenig als zu viel davon beizugeben. Vielleicht zieht man für die Chili-Arbeit besser auch eine Schutzbrille an, wie das verschiedentlich empfohlen wird.
In der Küche des Nagalandes werden die Dinge eher gekocht oder gedünstet als gebraten oder frittiert, was vielleicht damit zu tun hat, dass die Naga-Küche traditionell kein Öl verwendet. Wir braten unser Fleisch trotzdem an weil wir finden, dass das Anbraten das Aroma vertieft und das Fleisch ausserdem leichter zart wird. Im Nagaland wird dieses Gericht manchmal mit dem fetten Fleisch vom Bauch des Schweines zubereitet, was natürlich ausserordentlich gut schmeckt – wir geben hier eine Version für westliche Zeitgenossen wieder, die weder Wasser am Brunnen holen, noch jagen, Bananenstauden schlagen oder sonst eine schwere körperliche Arbeit verrichten müssen.
Zu dem Schweinefleisch werden im Nagaland gedünster Reis und oft ein Akhuni-Chutney serviert, für das wir leider auf diesen Seiten kein Rezept wiedergeben können (Akhuni ist ausserhalb des Nagalandes nicht zu bekommen). Manche Köche geben auch dem «Naga Style Pork» selbst ein wenig Akhuni bei – wir imitieren das hier durch die Zugabe von etwas fermentiertem Tofu aus China, wie es in jedem Asia-Laden mit chinesischer Kundschaft leicht zu finden ist. Zu fast allen Fleischgerichten wird im Nagaland ausserdem Gemüse (Grüne Bohnen, Weisskohl etc.) serviert, das schlicht im Wasser gekocht wurde – ohne alle Gewürze und sogar ohne Salz, eine Art Gegengewicht zu dem heftigen Aroma der Fleischgerichte.
Kochzeit: ca. 2 Stunden
1.4 kg Schweinefleisch (zum Beispiel ein Stück von der Schulter)
1 bis 2 TL Salz
2 gesalzene Schweineschwänzchen (je ca. 60 g)
300 g (abgetropft) eingelegte Spitzen von jungen Bambussprossen
2 EL Rapsöl
6 grosse Tomaten, gehäutet, in Stücken (ca 800 g)
14 Zehen Knoblauch, zerdrückt
100 g Ingwer, geputzt, in möglichst feinen Scheiben und leicht im Mörser angedrückt
6 TL fermentiertem Tofu (ca. 40 g)
2 Naga Jolokia (Bhut Cholokia), entkernt und fein gehackt
ev. nochmals etwas Salz
First Publication: 18-7-2012
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