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Wie scharf das Székelygulyás wird, hängt vom Paprikapulver ab, das man verwendet, etwa scharfen Rosenpaprika oder milden Delikatess. Dieser Stand in den Grosse Markthalle (Nagycsarnok) von Budapest bietet die ganze Bandbreite an. (Mai 2011)

Székelygulyás

Schmortopf mit Fleisch vom Rind und Kalb, Sauerkraut und Paprikapulver – ein Rezept zu Peter Polters Episoda 110521 Budapest Belvárost

Das ungarische Wort gulyás (ausgesprochen guiaasch) bezeichnet eigentlich einen Rinderhirten, zugleich aber auch eine Reihe von Eintopfgerichten. Beim Székelygulyás (auf Deutsch auch Szegediner Gulasch oder Krautgulasch) handelt es sich um eine Spezialität, die auf den ungarischen Schriftsteller und Journalisten József Székely (1825–1895) zurückgehen soll. Die Geschichte soll 1846 passiert sein und wird oft so erzählt: Spätabends kam Székely hungrig in ein Budapester Restaurant, vermutlich sein Stammlokal. Die Küche hatte nur noch ein wenig Schweinegulasch und etwas Sauerkraut übrig. Székely wies den Koch an, ihm beides auf einem Teller vermischt zu servieren. Der Schriftsteller mochte das Ergebnis seiner Anordnung und soll Bekannten davon erzählt haben – mit dem Resultat, dass immer mehr Gäste in das Restaurant kamen und «Székelygulyás» verlangten. An der Geschichte ist wohl nicht viel wahr – auch wenn Károly Gundel, Ungarns vielleicht berühmtester Koch, in seinem  («Kleinen ungarischen Kochbuch», S. 59)  versichert, dass der Schriftsteller zu dieser «vorzüglichen Speise» inspiriert haben soll.

Székelygulyás gehört auch zu den Gerichten, die traditionell im Restaurant «Gundel» (ungarisch Gundel étterem) in Budapest serviert werden. Das «Gundel» gilt als eine Institution in Sachen ungarischer Küche und gehörte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den exklusivsten Restaurants in Europa. Auch heute erfreut es sich wieder eines guten Rufs (www.gundel.hu). Wer im Gundel isst, wird mit grosser Geste bedient. Der Raum am Budapester Stadtpark ist stimmungsvoll und das Orchester jagt in virtuosen Anderthalbtonschritten durch die Oktaven (ja wenn man Pech hat, dann kreuzt gar ein Stehgeiger neben dem eigenen Tischchen auf). Was allerdings die Küche für den doch stattlichen Preis leistet, hat den Ruf des Hauses sicher nicht begründet. Jedenfalls nicht bei unserem Besuch im Mai 2011: Die Gulasch war fad und wässrig und die Schweinemedaillons nach Ungarischer Art kamen als trockene Klötzchen auf einem Haufen gummiartiger Bratkartoffeln daher. Wir haben daraus geschlossen, dass das «Gundel» die vielen Touristen nicht gut verdaut, die sich gerne in dem Traditions-Lokal einfinden.

Und ob sich József Székely hier noch an einen Tisch setzen würde, darf man sich mit gutem Recht fragen. Wir haben lange nach einer deutschen oder englischen Zeile dieses Autors geforscht – hätten wir doch zu gerne gewusst, wie einer schrieb, der ein so herrliches Gericht inspiriert hat. Leider haben wir nichts gefunden – wir haben indes erfahren, dass zu seinen wichtigsten Werken die sogenannten «Szeszélydalok» zählen, launische Lieder und Gedichte, die er 1853 in Pest publizierte. Damit Székely hier doch zu Wort kommt, haben wir ihm kurzerhand ein paar launische Zeilen untergeschoben:

Schreiben wir mit leerem Magen
so tut uns jedes Reimchen plagen
Wenn also dein Kopf die Welt verdaut
Dann gib dem Bauch ein Sauerkraut

Beim nachfolgenden Rezept haben wir uns an verschiedenen Quellen orientiert, namentlich bei Joseph Wechsberg («Küche im Wiener Kaiserreich», S. 115) sowie bei Károly Gundel («Kleines ungarisches Kochbuch», S. 59). Unser Székelygulyás ist ein scharfes und spürbar saures Schmorgericht mit einer leuchtend roten Farbe. Wer es weniger sauer mag, kann das Kraut vor Verwendung in ein Sieb geben und unter fliessendem kaltem Wasser waschen, dann gut ausdrücken. Wir servieren dieses Gulyás gerne mit Pellkartoffeln.

Zutaten (für 6 Personen)

500 g Schweinsragout (Voressen)

500 g Rindsragout

3 EL Schweineschmalz oder Rapsöl

Salz

Pfeffer

2 grosse Zwiebeln (je 100g), fein gehackt 

4 Zehen Knoblauch, gepresst

6 gehäufte TL ungarisches Paprikapulver

1.5 dl Weisswein

3 dl Rinderbrühe

2 TL Kümmel

1 EL Tomatenpüree

nochmals 1 knapper TL Salz

500 g ungekochtes Sauerkraut, leicht ausgedrückt 

3 dl saurer Halbrahm

Wie scharf das Székelygulyás wird, hängt natürlich vom Paprikapulver ab, das man verwendet. Wir nehmen Rosenpaprika, also das schärfste Pulver. Ungarisches Paprikapulver wird (mit abnehmender Schärfe) unter folgenden Bezeichnungen angeboten: Rosenpaprika – Edelsüss – Delikatess – Extra.

Zubereitung

  1. Fleisch (Schwein und Rind) wenn nötig trocken tupfen. 2 EL Schmalz oder Öl in einem schweren Topf erwärmen, Fleisch darin (ev. in zwei Portionen) abraten, herausheben, beiseite stellen, mit Salz und Pfeffer bestreuen. Sollte das Fleisch etwas Saft abgeben, diese Flüssigkeit mit aufbewahren.
  2. Nochmals 1 EL Schmalz oder Öl in den Topf geben. Zwiebel und Knoblauch darin etwa 5 Minuten bei mittlerer Hitze dünsten.
  3. Hitzezufuhr stoppen. Paprikapulver über die Zwiebel stäuben und gut vermengen. Weisswein und Brühe zugiessen. Kümmel, Tomatenpüree und nochmals 1 knappen TL Salz einrühren. Fleisch wieder in den Topf heben. Sauerkraut etwas zerpflücken und beigeben. Aufkochen lassen und dabei alles gut vermischen. Deckel aufsetzen, Hitze stark reduzieren und zugedeckt knapp 2 Stunden köcheln lassen. Bei schlecht schliessenden Töpfen muss ev. gelegentlich etwas Brühe oder Wasser nachgegossen werden.
  4. Deckel abheben und wenn nötig nochmals 10 bis 15 Minuten offen köcheln, um die Flüssigkeit etwas zu reduzieren. Mit Salz abschmecken. Mit Sauerrahm und Pell- oder Salzkartoffeln servieren.

Wer eine etwas dickere Sauce möchte, kann mit dem Kraut eine mehlig kochende Kartoffel in die Sauce raffeln.

In den meisten Rezepten wird der Sauerrahm mit etwas Mehl vermischt und zum Schluss in das Gericht eingerührt. Wir stellen den Rahm lieber mit auf den Tisch – vor allem im Hinblick darauf, dass es Reste geben könnte. Ist der Rahm einmal mit dem Fleisch vermischt, sollte das Gulyás nämlich nicht mehr aufgekocht werden weil der Rahm sonst ausflockt.

Ältere Rezepte geben statt Wein etwas Essig in den Topf und manche rühren den zerdrückten Knoblauch erst zum Schluss mitsamt dem Sauerrahm ins Gericht. Das fanden wir nicht uninteressant und haben es dahin übersetzt, dass wir einen Teil des Rahms, den wir bei Tisch aufstellen, mit etwas gepresstem Knoblauch würzen.

Im Restaurant «Gundel» in Budapest wird das Essen mit grosser Geste serviert. (Mai 2011)
Zu Beginn der Kochzeit sieht das Székelygulyás etwa so aus. (Februar 2012)
Natürlich verführt das Székelygulyás dazu, lautstark launische Lieder von József Székely zu singen – oder wenigstens, was man dafür halten könnte. Testessen mit Franziska und Thomas am 13. Februar 2012 in Zürich.

First Publication: 14-2-2012

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