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Im Bus von Poipet nach Siem Reap

Szene 1

Es gibt Worte, die wir wie ungeöffnete Bücher in die Bibliothek unserer Erinnerungen einreihen – in eine ständig wachsende und dabei immer weniger geordnete Bibliothek. In diesem Raum ohne Räumlichkeit, zumindest ohne kontingente Perspektive, wo sich Broschüren gerne wie mächtige Atlanten aufführen und riesige Romane auf ein paar Worte zusammenschrumpfen, spielen diese ungeöffneten Bücher eine ganz besondere Rolle. Man könnte sie als uralte Versprechungen ansehen, die sich auf eigentümliche Weise plötzlich doch noch einlösen.

«Kambodscha» war ein solches Wort im Leben von Hektor Maille, ein ungeöffnetes Buch aus seiner Vergangenheit. Es katapultierte ihn zurück ins «Jadin», das einzige Lokal von Port-Louis, das Punk-Musik spielte. Während seiner ersten Studienjahre an der Universität (Kunstgeschichte, das perfekte Training für den Ringkampf mit der Welt) war Maille fast jeden Abend ins «Jadin» gepilgert, um Bier zu trinken und eine schütter-schüchterne Form von Lebensverachtung zu demonstrieren – in der Hoffnung, damit die Aufmerksamkeit der einen oder anderen jener Gauloise-Elfen zu erregen, die da Rauchkringel in die Luft bliesen und dann doch meistens die anderen Jungs in ihre Dachstuben mitnahmen.